Die Aufsteigerin
und die Hilflosigkeit in seinem Blick machten Cathy traurig. Ihr wurde klar, dass er in ihr seine letzte Rettung gesehen hatte - seine einzige Chance, herauszufinden, was sich zusammenbraute. Sie ging zu ihm und schlang die Arme um seinen Hals. Er zog sie fest an sich.
»Wie du schon sagst, die neue Mafia, die Russen und all die anderen aus dem Ostblock, die sind an unsere Stelle getreten, denn sie haben denselben Hunger, den wir damals auch hatten. Wir alle sind jetzt reich und wollen ein ruhiges, schönes Leben. Nun tauchen andere auf, die uns bedrohen. Die Stärkeren überleben, das ist ein Naturgesetz.«
Ihre Stimme klang hohl, und sie schien ihre Unbeschwertheit verloren zu haben.
»Ich persönlich möchte sowieso alles hinter mir lassen. Ich bin das ewige Hin und Her leid. Sogar der Club geht mir manchmal auf die Nerven. Ich verstehe sehr gut, was du sagst.«
Richard hätte sie am liebsten für immer festgehalten, so einsam und verlassen wirkte sie. Er hätte ihr so gerne gesagt, dass er sie liebte. Aber er wusste, dass er es nicht tun würde.
Sie hatte sich ihm einmal angeboten, und er war so dumm gewesen, sie abzuweisen. Weil er gedacht hatte, er täte ihr nur leid und sie wolle sich ihm nur aus Dankbarkeit hingeben. Im Laufe der Jahre hatte er wieder und wieder gewünscht, ihr Angebot angenommen zu haben. Weil er genau wusste, dass er in jeder Beziehung besser für sie war als alle anderen Männer, besser als Eamonn Docherty allemal. Sie war mit Eamonn aus demselben Grund zusammen, aus dem sie sich anscheinend auch ihm hatte hingeben wollen: Sie meinte, es ihm schuldig zu sein. Die schwere gemeinsame Kindheit ließ sie den Iren durch eine rosa Brille sehen.
Aber in Wahrheit war ihre Loyalität gänzlich fehl am Platz. Eamonn benutzte die Menschen, und er würde auch sie skrupellos zu seinem Vorteil benutzen.
Richard wusste das, aber Cathy würde es nicht einsehen, bevor Docherty sie nicht gnadenlos ausgenutzt hatte. Wie er ihren Liebhaber kannte, würde er das unweigerlich eines Tages tun. Er hoffte nur, dass es nicht gerade jetzt geschah, bei all den Gerüchten, dass ein großes Ding bevorstand, etwas so Gewaltiges, dass nicht einmal Richard Gates Cathy würde beschützen können, sollte sie den falschen Leuten im Weg sein.
Am Spätnachmittag saß Eamonn in der International Bar des Hilton Hotels, hatte einen Drink vor sich und ein flaues Gefühl im Magen. Schon bald geleitete man ihn nach oben in eine Suite, und er fühlte sich wie ein verurteilter Schwerverbrecher auf dem Weg zum Galgen.
Er versuchte sich zusammenzureißen.
Der Mann, der ihn abholte, reagierte auf sein freundliches Lächeln mit einem ausdruckslosen, starren Blick. Das war ein böses Omen, aber er tröstete sich damit, dass so einer garantiert auch die eigene Mutter so ansah. Bodyguards mussten gemeingefährlich wirken. Das gehörte zu ihrem Job.
In der Suite erwarteten ihn vier Männer, die er alle kannte, aber am allerwenigsten hier erwartet hatte.
Da war Patrick O’Rourke, sein IRA-Kontakt aus Irland, überlebensgroß und doppelt so hässlich, mit einem zottigen Pferdeschwanz und verächtlichen Blicken aus eisblauen Augen.
Da war Sammy Colderi, der Don aus Las Vegas, klein, rundlich und scheinbar völlig fehl am Platz.
Neben ihm saß Manny Steinschloss, ein jüdischer Unternehmer, der seine Privatbank konsequent außerhalb der Legalität führte.
Aber am meisten Sorgen machte Eamonn, dass der vierte Mann ein New Yorker Don war, das Oberhaupt der fünf Familien:
Gesu Molineri. Er war ein Hüne, Ende sechzig, leise und bekannt dafür, dass er sich gern im Hintergrund hielt. Diesen Mann hier zu sehen, erschreckte Eamonn mehr als die Anwesenheit von O’Rourke, wie lebensgefährlich der Ire auch sein mochte.
»Bitte, Mr. Docherty, nehmen Sie Platz«, sagte Molineri ungnädig.
Eamonn setzte sich und zwang sich, ruhig zu bleiben. Man hatte ihn bereits in der Limousine am Flughafen gefilzt, und daher wussten alle, dass er unbewaffnet war. Man servierte ihm ein Glas Whisky, das er aber nicht anrührte. Stattdessen zündete er sich eine Zigarette an, sah mit Genugtuung, dass seine Hände nicht zitterten, und bemühte sich, gelassen zu wirken.
Molineri ergriff wieder das Wort. »Ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit dem Tschetschenen - Igor. Den kennen Sie doch, oder? Wir hatten eine Zeit lang kleinere Gebietsstreitigkeiten. Er schien zu glauben, dass er ohne weiteres auf der East Side Einzug halten könnte.
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