Zustimmung.
Das Fernsehbild zeigte nun den Reporter draußen vor dem Haus. Im Hintergrund war eine der Polizeiabsperrungen zu erkennen. Zwei Uniformierte in Schutzwesten taten so, als bekämen sie von der Aufnahme nichts mit. Der Reporter sagte: »Hätte man die Tragödie verhindern können? Wurden die schrecklichen Erfahrungen, die der Tatverdächtige als Kind durchlebt hatte, zu wenig ernst genommen? Manch einer in Montesecco scheint sich zu fragen, ob wirklich nicht rechtzeitig zu erkennen war, in welch dunkle Fahrwasser der Junge steuerte. Man sollte sich davor hüten, vorschnell Schuldzuweisungen vorzunehmen, denn noch längst sind nicht alle Fragen geklärt. Die Betroffenheit, die in Montesecco allerorts herrscht, ist jedoch nur allzu verständlich.«
Die Sendung war noch nicht zu Ende, aber Milena schaltete den Fernseher aus. Davide bettelte, einen Zeichentrickfilm anschauen zu dürfen, gab aber überraschend schnell auf, als Milena sagte, dass das überhaupt nicht in Frage komme. Jennifer wollte wissen, was das Wort Betroffenheit bedeute.
»Wenn du dich fühlst, als ob du gleich weinen musst.«
»Weil ich mir weh getan habe?«
»Nein«, sagte Milena, »eher, weil etwas Schlimmes passiert ist.«
»Wenn zum Beispiel jemand gestorben ist?«, fragte Jennifer.
Davide und Joel schoben auf dem Fußboden ihre Spielzeugautos umher. Davide hatte einen Polizeiwagen ausgewählt. Er ließ ihn um die Ecke des Sofas kurven und machte laut den Ton der Sirene nach.
»Geh spielen!«, sagte Milena zu Jennifer. Sie stand auf und holte die Videokassette aus dem Rekorder. Sie legte sie auf den Fernseher, ging in die Küche, setzte Teewasser auf, ging wieder zurück in den Salotto, nahm die Kassette und trug sie ins Schlafzimmer hoch. Als sie den Kleiderschrank öffnete, läutete zum ersten Mal das Telefon.
Es war Franco Marcantoni, der fragte, ob sie wahnsinnig geworden sei. Sie könne doch nicht im Fernsehen verbreiten, dass Montesecco schuld sei, wenn Minh durchdrehe. Dann rief Matteo Vannoni an und erkundigte sich, wer Milena das Recht gegeben habe, Catias Familienverhältnisse in die Welt hinauszuposaunen. Angelo Sgreccia klärte sie darüber auf, dass Minh überall sonst schon längst kaputtgegangen wäre. Ob sie sich vorstellen könne, wie eine alleinerziehende Mutter ihren Sohn unter vergleichbaren Umständen in einer anonymen Großstadt aufziehen sollte? Statt eines leiblichen Vaters habe der Junge hier jede Menge Ersatzväter gehabt, ihn, Angelo Sgreccia, eingeschlossen, und die hätten sich wie alle anderen Bewohner Monteseccos immer um Minh gekümmert. Als ein Zeitungsreporter anrief, Milena zu ihren offenen Worten beglückwünschte und um genauere Informationen über die Hintergründe des damaligen Entführungsfalls nachsuchte, legte Milena auf und hängte das Telefon aus.
Das Teewasser auf dem Herd war fast verkocht. Jennifer weinte im Salotto, und Davide beteuerte ungefragt, überhaupt nichts gemacht zu haben. Milena hatte die Kinder gerade beruhigt, als ihr Mann Mamadou nach Hause kam. Seiner finsteren Miene nach zu schließen, wusste er schon von Milenas Fernsehauftritt. Jennifer krähte, dass gar nichts Schlimmes passiert sei und dass sie nur geweint habe, weil es weh tat, als sie sich den Finger einklemmte.
»Ich will die Sendung selbst sehen«, sagte Mamadou.
Milena schüttelte den Kopf.
»Du hast sie doch aufgenommen?«, fragte Mamadou.
»Nein«, sagte Milena.
Von: »Minh«
[email protected] An: »Krisenstab«
[email protected]/pesaro
Warum wird meine Forderung nach Freilassung der Genossen nicht im Fernsehen gebracht? Was soll das?
Von: »Krisenstab«
[email protected]/pesaro
An: »Minh«
[email protected] Die Medien haben darauf verzichtet, nachdem ihnen der Innenminister die Sachlage verdeutlicht hat. Eine eventuelle Freilassung von Terroristen ist politischer Zündstoff. Um den Erfolg der Verhandlungen nicht zu gefährden, sollten diese nicht zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen werden. Wir arbeiten hinter den Kulissen fieberhaft, um alle Möglichkeiten auszuloten.
Von: »Minh«
[email protected] An: »Krisenstab«
[email protected]/pesaro
Der Innenminister kann mich mal! Sie lassen jetzt meine Forderung ausstrahlen! Und zwar auf allen Kanälen. Wörtlich und unverändert.
Von: »Krisenstab«
[email protected]/pesaro
An: »Minh«
[email protected] Nach Rücksprache mit dem Minister können wir