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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Ihnen folgendes Angebot machen: Als Geste des guten Willens lassen Sie eine der Geiseln frei. Der Minister wird sich im Gegenzug bei den TV-Sendern dafür einsetzen, dass Ihrem Wunsch entsprochen wird.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Sie wollen feilschen? Ich kann Ihnen auch ein Angebot machen. Ich gebe erst einmal eine halbe Geisel heraus. Vielleicht die untere Hälfte. Das wird unappetitlich werden, aber wenn Sie es nicht anders wollen, von mir aus.
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Bleiben Sie besonnen! Wir werden Ihre Forderung unverzüglich an die Sender weiterleiten.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Was ist nun? Soll ich schon mal zu sägen beginnen?
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Wie Sie wissen, sind die Medien bei uns frei und unabhängig. Weder der Minister noch sonst irgendwer ist ihnen gegenüber weisungsbefugt. Wir haben auf eine schnelle Entscheidung in Ihrem Sinne gedrängt, aber die Intendanten beharren darauf, sich untereinander abzustimmen. Für morgen Nachmittag ist eine außerordentliche Konferenz einberufen. Wir bitten Sie, bis dahin Geduld zu zeigen und für die Verzögerung nicht unschuldige Geiseln verantwortlich zu machen.
    »… und natürlich zahlt die KFZ-Versicherung bei höherer Gewalt keinen Cent«, sagte Donato.
    »Natürlich nicht«, sagte der Kameramann. Er starrte zum Fenster hinaus. Sollte er verpassen, wenn es da unten losginge, wäre er die längste Zeit Kameramann gewesen, hatte die Reporterin gedroht. Dann war sie losgezogen, um irgendeinen der Polizisten vom Krisenstab bei den Eiern zu packen. Donato mochte ihre Ausdrucksweisenicht, aber er musste zugeben, dass sie die ersten dreihundert Euro ohne Umstände herausgerückt hatte. Der Kameramann dagegen war ein höflicher Mensch, der zuhören konnte. Er hatte sich sogar dafür entschuldigt, Donato nicht in die Augen sehen zu können, während er sich mit ihm unterhielt.
    Donato saß auf seiner Seite des Ehebetts. Marisas Seite war mit dem Kram der Fernsehleute belegt. Als seine Frau erfahren hatte, dass ihr gemeinsames Schlafzimmer für eine Weile an Canale 5 vermietet war, hatte sie ein paar Sachen in einen Koffer geworfen und war gegangen. Wohin, wusste Donato nicht. Sie werde schon etwas finden, hatte sie gesagt. Etwas Besseres, als die Nacht mit einem Fernsehteam und einem geldgeilen Ehemann zu verbringen. Donato könne von ihr aus auch in der Badewanne schlafen und sich mit seinen verdammten drei Hundertern zudecken, aber für sie sei das nichts.
    »Frauen!«, hatte der Kameramann geseufzt, als sie weg war. Donato hatte dazu genickt, auch wenn ihm schwante, dass er zu weit gegangen war. Doch was konnte er jetzt noch tun? Er hatte in das Geschäft eingewilligt. Ein Mann, ein Wort. Wie sähe das aus, wenn er jetzt einen Rückzieher machte?
    Er stand auf und trat hinter den Kameramann. Die Nacht war hereingebrochen, doch die beiden Laternen erleuchteten die Piazza. Ob das Licht für Fernsehaufnahmen reichte, wusste Donato nicht. Die Piazza war sowieso menschenleer und wirkte irgendwie fremd. Donato brauchte eine Weile, bis er begriff, dass das an der weißen Decke lag, die der nachmittägliche Schneesturm über sie gebreitet hatte. Keine einzige Fußspur zog sich durch die im Laternenlicht glitzernde Fläche. Es sah eigentlich ganz schön aus.
    Der Kameramann stimmte ihm zu. Er sagte, dass er während seines Studiums an der DAMS in Bologna mal einen Film in einem Hinterhofgarten gedreht habe. Anderthalb Stunden nur Schneetreiben, den Tanz der Flocken, und wiesie sanft, aber unerbittlich alles bedeckten. Am Schluss seien die Konturen unter dem Weiß wie zerflossen gewesen.
    »Interessant«, sagte Donato.
    »Kam nicht besonders gut an«, sagte der Kameramann.
    »Ihr Job, meine ich«, sagte Donato.
    Der Kameramann starrte nach draußen. Der Schein der Laternen lag auf Minhs Büro. Die Tür war geschlossen, die Fenster dunkel. Nichts rührte sich hinter ihnen. Donato wandte sich ab und legte sich aufs Bett. Auf seine Seite. Der Kameramann schwieg, und Donato überlegte sich, ob er vielleicht wirklich in der Badewanne schlafen konnte, wenn er sie gut auspolsterte. Wo Marisa wohl die Nacht verbrachte? Donato sollte mal bei den Garzones anrufen. Oder besser selbst in der Bar

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