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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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    befreundet, und er erinnerte sich noch gut daran, daß das Ehepaar Wilkes die beiden nach einer Party in ihrer Wohnung, bei der Bill sich sinnlos betrunken hatte, nicht mehr eingeladen hatte.
    Baldur stand neben ihm und starrte ziemlich irritiert, wie Dr. Fenton fand, eine Frau an, die auf dem Schoß eines Mannes saß.
    »Erzähl mir von Baldur«, sagte Theodora unvermittelt und streckte die Hand aus, um den Kopf des Hundes zu tätscheln. »War er dir ein guter Kamerad?«
    Offenbar hatte sie nicht mitbekommen, daß Baldur ihm das Leben gerettet hatte, oder war zu betrunken, um sich jetzt daran zu erinnern. »Er war ein wunderbarer Kamerad«, sagte Dr. Fenton lächelnd. »Nicht wahr, Baldur? Er-kennst du Theodora denn nicht?« fragte er den Hund, und als Baldur zu ihm aufsah, wünschte er sich beim Anblick des Ausdrucks in seinen Augen, er hätte diese Frage nicht gestellt.
    »Hast du ihm irgendwelche Kunststücke beigebracht?«
    fragte Theodora und schob mit einer ihrer langen, schlaffen Hände, die Dr. Fenton einst so ungeheuer vornehm erschienen waren, eine Haarsträhne zurück.
    »Er braucht keine Kunststücke zu lernen. Er begreift alles, was rings um ihn vorgeht, genau wie ein Mensch«, antwortete Dr. Fenton.
    Theodoras Gesicht veränderte sich allmählich. Sie versuchte sich aufzurichten und schwankte dabei leicht. »Du bist so anders, Ed… Du hast dich sehr verändert«, sagte sie beinahe feindselig. Plötzlich schossen ihr in ihrem 125
    angetrunkenen Zustand Tränen in die Augen, die dadurch noch glasiger aussahen. »Wenn du mich nicht mehr magst, warum bist du dann gekommen?«
    »Aber Theodora, ich mag –«
    »Kann ja sein, daß ich viel einfacher lebe, aber schließ-
    lich ist es mein Leben, oder? Das gibt dir noch lange kein Recht, auf mich herabzuschauen.« Ihre Stimme wurde lauter, und das Stimmengewirr im Raum brach abrupt ab.
    »Setz dich hin, Schatz, du hast genug getrunken!«
    brüllte Robert Frazier II. aus den Tiefen seines Sessels.
    Jemand lachte. Die Gespräche wurden wiederaufgenommen.
    »Entschuldige, Theodora, aber ich weiß immer noch nicht, was ich getan habe«, sagte Dr. Fenton lächelnd. »Es ist eine reizende Party, und ich freue mich außerordentlich, dich zu sehen.«
    »Das glaube ich dir nicht!« sagte Theodora und sah ihn durchdringend an, und obwohl sie die Stimme erhoben hatte, nahm jetzt niemand mehr Notiz davon.
    »Ich sollte jetzt lieber gehen, Theodora. Vielen herzli-chen Dank für die Einladung, und danke auch für Baldur.«
    Er drehte sich um und ging auf Robert Frazier II. zu. »Auf Wiedersehen Mr. Frazier. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
    »Schön, daß Sie da waren. Achten Sie nicht auf Theo, manchmal ist sie eben so.« Robert Frazier winkte lässig.
    »Dich sind wir zum Glück los! Eingebildeter Fatzke!«
    schrie Theodora ihm nach, als er die Tür aufmachte.
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    Die Tür schloß sich hinter ihm, aber dennoch drang das wiehernde Gelächter von Bill Kirstein nach draußen. Dr.
    Fenton fuhr mit dem Lift nach unten und machte sich auf den rund zwanzig Straßen weiten Heimweg, auf dem er französische Verben im Subjonctif konjugierte, um seine angespannten Nerven zu beruhigen. Nach den ersten paar Straßen fühlte er sich wieder wohler und bemerkte Baldur gegenüber, daß es nur noch zwei Wochen bis zum Som-merurlaub seien. Dr. Fenton würde sich vier Wochen freinehmen und sie in einem Hotel in den Adirondacks verbringen, wo, wie er erfahren hatte, auch Baldur willkommen war.
    Baldur sah voller Bewunderung und Verständnis zu ihm auf. Dr. Fenton zwinkerte ihm zu. Nie wieder würde er Theodora Frazier unerreichbar hoch auf einen Sockel stellen, nie wieder den Mann beneiden, dessen Frau sie war, nie wieder Robert Frazier II. von einer goldenen Aura umgeben sehen. Dr. Fenton begann wie ein Schuljunge zu pfeifen. Das Leben, sein Leben, das er als so eintönig und hoffnungslos empfunden hatte, erschien ihm nun rundum erfüllt und beglückend, voller Verheißung und Freude.
    Sein Blick verweilte auf einer hübschen Frau, die ihm entgegenkam und vorüberging.
    »Das Gehen hat mir Appetit gemacht, Baldur. Was hältst du davon, wenn wir uns jetzt ein Restaurant suchen und uns ein schönes Steak teilen?«
    Bei dem Wort »Steak« blickte Baldur auf, zog mit einem Hauch Ungeduld an der Leine und bog an der nächsten Ecke zu dem Restaurant zwischen Madison und Park Avenue ab, das sein Herr bevorzugte, wenn es um Steaks ging.
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    Der Spatz in der Hand

    Als

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