Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Ihnen zuflog, bis Sie Mrs. Van der Maur gegen fünf anriefen?«
    »So ist es«, sagte Mr. McKenny.
    »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mr.
    McKenny. Ihre Geschichte werden Sie in unserer Nachmittagsausgabe finden. Ich hoffe, Sie werden zufrieden sein.
    Auf Wiedersehen.« Er lächelte und öffnete die Tür.
    »Machen Sie bitte nicht zuviel Aufhebens davon«, sagte Mr. McKenny.
    Douglas McKenny war ein gewissenhafter Zeitungskäufer. Er kaufte die Nachmittagsausgabe der Zeitung mit seinem Foto und der Sittichgeschichte und las sie, um Distanz bemüht, als handle sie nicht von ihm. Danach studierte er sorgfältig die Anzeigen. Die gleiche Anzeige zu Billy, die er in der Morgenausgabe gesehen hatte, doch weitere 134
    Sittiche waren nicht verloren gemeldet. Auch gut. So konnte er den restlichen Nachmittag und den Abend auf Billy verwenden. Mit Billy zu arbeiten war nicht leicht, doch es ging um zwanzig Dollar Belohnung – weniger als Mrs. Van der Maurs dreißig Dollar gestern, aber immerhin.
    Und in der Anzeige hieß es, Billy sei der Liebling der Kinder. Mr. McKenny brachte Vögel besonders gern in Haushalten unter, in denen es Kinder gab.
    Mehr als dreißig Jahre lang war Mr. McKenny Sittichliebhaber und in bescheidenem Rahmen auch Sittich-züchter gewesen. Bis vor wenigen Jahren hatten Sittiche fünf Dollar das Stück gekostet – und man bekam sie nicht im Kramladen –, so daß Mr. McKenny durch Zucht und Verkauf der Vögel seine magere Rente aufbessern konnte.
    Zwei seiner eigenen Vögel – Freddie und Queenie – waren die ältesten Mitglieder der Sittichgeschlechter, die bis in jene Zeit zurückreichten, als seine Frau Helen am Leben und sogar noch verhältnismäßig jung gewesen war. In gewisser Weise weilte Helen greifbarer als nur in seiner Erinnerung bei ihm, indem er Sittiche hielt, die Nachfahren der Nachfahren jener Generationen waren, die Helen gekannt und geliebt hatte. Mr. McKenny hatte an die vierzig Sittiche in seiner Wohnung gehabt, als der Markt einbrach.
    Es machte ihm nichts aus, die Sittiche für einen Dollar achtundneunzig statt für fünf Dollar zu verkaufen – oft genug verschenkte er Sittiche an Kinder und Erwachsene aus der Nachbarschaft, die den Kaufpreis nicht aufbringen konnten –, doch der Preisunterschied bedeutete, daß ihm weniger Geld für Miete und Essen übrigblieb. Und eines Tages hatte er durch Zufall – denn Berechnung war ihm 135
    wesensfremd – eine Anzeige gesehen, in der zehn Dollar Finderlohn für einen Wellensittich angeboten wurden, der seinem Zuhause im Greenwich Village entflogen war, und die Färbung des Flüchtlings entsprach der eines seiner Sittiche. Mr. McKenny hatte nicht wenig Mut aufbringen müssen, um die Familie in Downtown mit seinem eigenen Vogel aufzusuchen und ihr weiszumachen, der Vogel sei ihm zum Fenster hereingeflogen. Doch als er sah, wie die Mienen der Familie sich aufhellten, weil ihr Liebling wieder da war, hatte er weniger Gewissensbisse gehabt.
    Schließlich sahen Wellensittiche für Normalbürger ziemlich austauschbar aus, und höchstwahrscheinlich war der Vogel, den er der Familie gegeben hatte, gesünder als der verlorengegangene. Später hatte Mr. McKenny gelernt, seine Vögel unauffällig anzupreisen. Wenn man mißtrauisch dreinsah, weil der Vogel offenbar seinen Namen vergessen oder die Sprache verloren hatte, sagte Mr.
    McKenny, in seiner Wohnung habe der Vogel gesprochen und er sei möglicherweise durch die Fahrt mit der Subway verschreckt. Äußerst selten weigerte man sich, Mr.
    McKennys Vögel anzunehmen, und in solchen Fällen konnte er immer sagen: »Nun, wahrscheinlich ist es ein Zufall, daß mir ausgerechnet dieser Vogel in die Wohnung geflogen kam.« Selbstverständlich vermied er es, an die Öffentlichkeit zu treten. Der Reporter, der ihn heute vormittag angerufen hatte, war der erste, der seine Schwelle überschritten hatte. Wenn die Leute, denen er Vögel brachte, ihn nach seinem Namen fragten, gab er fast immer einen falschen Namen an. Als er mit einem Sittich bei Mrs. Van der Maur erschienen war, hatte ihn ein Butler nach seinem 136
    Namen gefragt, und vor Überraschung hatte er ihn gesagt.
    Mr. McKenny meldete sich nur auf etwa zwei Drittel der Anzeigen. Doch den Sommer über war fast jeden Tag in irgendeiner Zeitung eine Annonce. Im Durchschnitt nahm er zwanzig Dollar in der Woche ein. Seine Rente machte zusätzliche einundzwanzig Dollar wöchentlich aus. Davon konnte er gerade leben.
    Billy wurde am nächsten

Weitere Kostenlose Bücher