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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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den Adern, und ein Anflug von Panik verschlug ihm die Sprache. Das Ehepaar Robert Frazier II. stand für ein medu-senähnliches Ungeheuer, das er in den hintersten Winkel seines Bewußtseins zu bannen versucht hatte, da schon ein kurzer Gedanke an die beiden ausreichte, um ihn zu lah-men und sein Selbstbewußtsein, das er so mühsam wieder-aufgebaut hatte, vollends zu erschüttern. Zum Glück redete Theodora weiter, während er einfach nur sprachlos dastand. Sie sagte, in ausgesprochen freundlichem Ton, sie hoffe, daß es ihm im vergangenen Jahr gut ergangen sei, und rufe an, um ihn zu einer Cocktailparty einzuladen, die sie und ihr Mann am nächsten Freitag geben würden.
    »Ich… also, ich glaube nicht, daß ich etwas anderes vorhabe. Das ist sehr…«
    »Schön! Und bring Baldur mit, Ed. Wir haben einen Briard. Dann können die beiden einander Gesellschaft leisten.« Sie lachte ihr fröhliches, unbeschwertes Lachen und gab ihm die Adresse.
    Als Dr. Fenton auflegte, zitterte er. Er hatte zugesagt, ehe ihm klar war, was er da tat. Hätte er doch nur eine kurze Vorwarnung bekommen, dann hätte er sich einen liebenswürdigen, überzeugenden Vorwand ausdenken können, weshalb er nicht kommen konnte! Er spielte mit 119
    dem Gedanken, noch am selben Abend zurückzurufen und abzusagen, aber es erschien ihm feige. Nein, du mußt dich stellen, sagte er sich. Trage den Kopf hoch erhoben, so wie Baldur, stelle dich der Situation eine halbe Stunde lang und verabschiede dich dann.
    Als er am Freitag um sechs die mit R. Frazier beschriftete Klingel in dem Wohnblock an der East Eighty-eighth Street drückte, spürte er, daß sein Selbstbewußtsein nur eine hauchdünne Schale war, die ihn umgab, nicht dicker als sein frisch gebügelter Anzug. Bestimmt würde er beim ersten Blick auf Theodora, die dank ihrer Ehe mit Robert Frazier II. vor Glück strahlte, zusammenschnurren zu jenem erbärmlichen Stinktier, dessen Bild ihm noch lebhaft in Erinnerung war. Theodora öffnete die Tür. Dr. Fenton hatte eigentlich ein Hausmädchen erwartet.
    »Willkommen, Ed!« sagte sie mit weit ausholender Ge-bärde. »Und Baldur! Meine Güte, ist der aber gewachsen!
    Komm doch rein!«
    Der Raum war ziemlich klein und voller Leute, die sich alle laut unterhielten. Theodora führte ihn zu einem Klapptisch voller Flaschen, Gläser und Suppenschüsseln mit Eiswürfeln, mixte ihm einen kräftigen Scotch mit Soda und meinte, vermutlich werde er keinen der Anwesenden kennen und könne das mit einem Drink bestimmt besser ertragen. Er merkte, daß sie leicht angesäuselt war.
    Plötzlich kam aus dem Nichts ein riesiger, zottiger Briard angesprungen und rumpelte so heftig gegen den Oberschenkel Dr. Fentons, daß er diesen um ein Haar umgestoßen hätte. Dr. Fenton zog Baldurs kurze Leine straff, doch das wäre nicht nötig gewesen, denn Baldur 120
    stand angesichts des Briards, dessen Gebell sich in dem kleinen Zimmer anhörte wie Donnergetöse, völlig unbe-wegt da.
    »Susie! Still, Susie!« schrie Theodora und zerrte am Hundehalsband, aber Susie ließ sich nicht beruhigen, und da sie die Beine in den Boden gestemmt hatte, konnte Theodora sie unmöglich vom Fleck bewegen. Susie duckte sich und forderte Baldur bellend und schwanzwedelnd zum Balgen auf, aber Baldur betrachtete die Hündin nur mit jenem nachsichtigen Lächeln, das Erwachsene gelegentlich ungebärdigen Kindern gegenüber aufsetzen.
    »Susie ist wohl noch ein Welpe!« rief Dr. Fenton fröhlich über das Gebell hinweg.
    »Was? … Susie!« Theodoras Kopf schnellte beängsti-gend nach hinten, als Susie sich losriß, und landete an Dr.
    Fentons Schulter. Nun begann Susie, im Kreis um Baldur herumzulaufen. Die Gäste wichen an die Wände zurück, um ihr aus dem Weg zu gehen, rempelten einander an und verschütteten ihre Drinks. Ein kleiner Beistelltisch wurde umgestoßen.
    »Ich hätte Baldur nicht mitbringen sollen!« rief Dr.
    Fenton voller Bedauern. »Es tut mir leid! Soll ich ihn hin-ausbringen?«
    »Hör auf, Susie! – Bob, sperr sie ins Bad!«
    »Irgend jemand läßt sie ja doch wieder raus!« schrie ein untersetzter, rosagesichtiger Mann.
    Einer der männlichen Gäste bekam Susies Halsband zu fassen, hielt es fest und brachte den Hund zum Stehen; dann schleifte er ihn in die angrenzende Diele.
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    »Sie ist wohl noch ein Welpe«, sagte Dr. Fenton lächelnd zu Theodora.
    »Sie ist vier. Sie ist Bobs Hund. Ich kann nichts bei ihr ausrichten, und er weigert sich. Schau nur, was sie mit dem Sofa

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