Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
angestellt hat.«
    Dr. Fenton war entsetzt, ja geradezu erschüttert, als ihm klar wurde, daß der untersetzte, rosagesichtige Mann im Sessel, den Theodora mit Bob angeredet hatte, Robert Frazier II. sein mußte. »Das ist… dein Mann?« fragte er, noch völlig fassungslos.
    »Ja. Komm, ich mache euch bekannt. – Bob? Ich möchte dir Ed Fenton vorstellen, einen alten Freund meines ersten Mannes«, sagte Theodora gleichgültig.
    Robert Frazier stand nicht auf. Er schwenkte nur sein Glas und sagte: »Hallo, Ed, fühlen Sie sich ganz wie zu Hause. Das ist nämlich eine Einweihungsparty, und alle sollen sich richtig wohl fühlen.«
    »Das war mir nicht klar«, sagte Dr. Fenton, der nicht wußte, was er sagen sollte. Er war noch immer baß erstaunt über das Erscheinungsbild dieses Mannes. Er sah aus wie fünfunddreißig, aber sein Gesicht wirkte so weich und kraftlos, daß er auch älter sein mochte. Und er war ohne Zweifel betrunken. »Wo haben Sie vorher gewohnt?«
    »Bei seinen Eltern in Pennsylvania«, antwortete unge-fragt das blonde Mädchen, das auf der Armlehne von Robert Fraziers Sessel hockte. »Aber die haben die Turtel-täubchen rausgeworfen, und jetzt muß er allein in der Welt zurechtkommen, nicht wahr, Bobsie?« Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange.
    122
    »Das ist meine Cousine, müssen Sie wissen«, sagte Robert Frazier II. augenzwinkernd, ohne jemand Bestimmtes anzusehen.
    »Küssende Cousins! Hahaha!« brüllte jemand.
    Sprachlos vor Entsetzen und Verlegenheit entfernte sich Dr. Fenton und hielt Ausschau nach Theodora. Sie stand am Fenster und schaute verträumt hinaus. Als er dann neben ihr stand, wußte er nicht mehr, was er sagen sollte. Er hatte sich vorgenommen, sie zu fragen, ob sie in Europa gewesen sei, seit er sie das letztemal gesehen hatte, und sich sogar ein paar Worte zurechtgelegt, um sie zu ihrem Mann zu beglückwünschen. Diesen Glückwunsch jetzt noch auszusprechen war unmöglich. Dr. Fenton sah sich im Zimmer um, und sein Blick fiel auf eine große silberne Schale, die er noch aus der Zeit kannte, als Theodora mit Alex Wilkes verheiratet gewesen war. Es war eine wunderschöne, griechisch anmutende Schale, und früher hatten immer Trauben oder schwimmende Blüten darin gelegen.
    Jetzt hatte jemand einen halb ausgetrunkenen Highball hineingestellt. Die Schönheit der silbernen Schale machte ihm erst richtig bewußt, wie häßlich und medioker die übrige Einrichtung war – das lackierte Bücherregal, die unruhig gemusterten Vorhänge, der plumpe Sessel, in dem Robert Frazier II. lümmelte. Auf einmal mußte Dr. Fenton an den Geruch des Lammgulaschs denken, der ihn empfangen hatte, als er vor wenigen Minuten aus dem Lift getreten war. Und dann die Gäste – er hatte die Creme der internationalen oder zumindest der amerikanischen Gesellschaft erwartet. Es war schon fast komisch. Die Leute hier hatten etwa das Niveau der Kirsteins. Kaum hatte er das 123
    gedacht, kamen die Kirsteins zur Tür herein. Einer der Gäste hatte ihnen aufgemacht.
    Bill Kirstein begrüßte Robert Frazier lautstark, entdeckte dann Dr. Fenton und stürzte auf ihn zu. »Ed, altes Haus, wo hast du dich denn versteckt? Ich hätte nie erwartet, dich hier zu treffen!« Sein herzhafter Schlag auf Dr. Fentons Schulter entlockte Baldur ein kaum hörbares warnendes Knurren, das Dr. Fenton als leichtes Vibrieren der Leine spürte. »Beruflich immer noch die alte Leier? Und den Hund hast du auch noch, wie ich sehe.«
    »Ach, ich habe in den letzten Monaten ziemlich viel Zeit zu Hause verbracht«, sagte Dr. Fenton lächelnd. »Wie geht es euch denn so?«
    Bill Kirstein sah ihn argwöhnisch an. »Ich möchte bloß wissen, wieso du auf einmal so von oben herab bist. Du stößt alle deine alten Freunde vor den Kopf.«
    »Aber nicht doch!« Dr. Fenton spürte, daß er leicht errötete. Aber weshalb hätte er das Gefühl haben sollen, sich entschuldigen zu müssen? Schließlich hatte er nichts getan. Er hielt sich noch gerader und schaute Bill direkt in die Augen, sehr freundlich.
    »Wir sehen uns.« Etwas unsicher lächelnd schlenderte Bill zu Theodora hinüber. Dr. Fenton beobachtete, wie sie aus ihrer Verträumtheit aufwachte und Bill auf die Wange küßte; Bill legte ihr vertraulich den Arm um die Taille. In Alex' Gegenwart hätte er das nie getan, dachte Dr. Fenton, und auch Theodora hätte es nie zugelassen. Er wußte, daß Alex und Theodora mehrere Jahre lang flüchtig mit den Kirsteins bekannt gewesen waren, nie aber eng

Weitere Kostenlose Bücher