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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Douglas McKenny sich mit dem neuen Sittich aus dem Kramladen seiner Tür näherte, rief ein Nachbar: »Hallo, Mr. McKenny! Haben Sie einen neuen Vogel?«
    Seine Nachbarn bildeten sich ein, er kaufe immer wieder Vögel, die er möglicherweise an Kinder verschenkte.
    »Nee«, sagte Mr. McKenny. »Lampenschirm. Wie geht es Ihnen, Mr. Riley?«
    Er ging weiter. Als er die Treppe zu seiner Haustür erreichte, hüpfte ein kleines Mädchen die Stufen hoch und blieb atemlos stehen.
    »Oh, Mr. McKenny, darf ich ihn sehen?«
    »Es ist kein Wellensittich, Schätzchen, sondern ein Lampenschirm«, sagte Mr. McKenny und lächelte die Kleine an. »Wie geht es Petey?« Er hatte ihr den Sittich vor vier Jahren geschenkt, als sie ihm knapp bis übers Knie reichte.
    »Er ist goldig, Mr. McKenny. Er kann den Anfang von
    ›The Star-Spangled Banner‹ aufsagen. Nur bei ›what so proudly‹ bleibt er immer stecken.«
    »Weißt du, bring ihn mir einfach mal mit, und dann schauen wir, ob wir ihm da helfen können«, sagte er freundlich und tätschelte ihr den Kopf.
    »O ja, Mr. McKenny!« Wie ein Vogel flitzte sie davon und wirbelte ein kaputtes Jo-Jo an seiner Schnur durch die Luft.
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    Mr. McKenny stieg schwerfällig die Treppe hoch. Er log nicht gern. Doch je weniger seine Nachbarn wußten, um so besser. Die ganze Zeit kam und ging er mit Sittichen, und immer machte er sich die Mühe, die Bündel und Pakete, in denen er sie beförderte, zu variieren. Manchmal steckte er einen Käfig in einen Kissenbezug, damit es wie ein Wäschebündel aussah. Oft schaffte er eine große Ku-chenschachtel in einer Papiertüte in den Kramladen und brachte einen Vogel darin zurück, indem er die Schachtel an ihrer Verschnürung trug, als handele es sich um einen Kuchen aus der nächsten Schrafft's-Filiale. Er setzte den neuen Sittich in einen unbewohnten Käfig und sprach dabei beruhigend auf ihn ein. »Hier, Billy, Billy, Billy …
    schöner Billy. Du und ich, wir werden prächtig miteinander auskommen, nicht wahr, Billy?«
    Der Sittich mit grauer Brust beäugte ihn mißtrauisch und schmollte griesgrämig auf seiner Stange.
    Mr. McKenny hatte schon im Laden erkannt, daß er ein verdrießlicher kleiner Bursche war, aber er war heute der einzige mit einer grauen Brust gewesen. »Bil-ly«, sagte Mr. McKenny langsam und deutlich. »Bil-ly … Billy …«
    Sehr bedächtig füllte er aus einem kleinen Krug die Wasserschale im Käfig und streute als Friedensangebot ein paar Körner in den Futternapf. Dann stellte er sich hinter die Schranktür, wo der Vogel ihn nicht sehen konnte und er doch nur einen Meter von ihm entfernt war. Wenn man einem Sittich beibringen wollte, etwas nachzusprechen, hielt man sich besser außer Sichtweite auf, damit der Vogel möglichst wenig abgelenkt war und sich darauf konzentrieren konnte, die Laute nachzuahmen, die er hörte. »Bil-129
    ly«, sagte Mr. McKenny langsam. »Bil-ly… Bil-ly… Billy…«
    »Bi-iii!« zwischerte Queenie, ein mutwilliges, verwöhntes grünes Weibchen, das sich mit seinem Gefährten in einem Käfig am anderen Ende des Zimmers befand.
    Mr. McKenny begann geduldig noch einmal. »Bil-ly …
    Sag etwas, Billy. Küßchen. Küßchen. Küßchen.« Wenn er zufällig eine Wendung sagte, die ein Sittich kannte, führte das manchmal zu weiterem Gezirpe. Doch dieser Vogel konnte wahrscheinlich kein einziges Wort nachsprechen.
    »Ting-ng! Rrrr-rrrr-r!« sagte der Sittich schließlich.
    Mr. McKenny seufzte. Wenn er sich nicht täuschte, war das der Versuch des Sittichs, das Geräusch einer Regi-strierkasse zu reproduzieren.
    Das Telefon klingelte, und Mr. McKenny verließ seinen Posten hinter der Schranktür, um den Hörer abzunehmen.
    »Hallo, Mr. McKenny?«
    »Ja.«
    »Hier spricht Jack Haley vom Evening Star. Ich habe gehört, daß Sie gestern einer Mrs. Richard Van der Maur einen entflogenen Wellensittich namens Chou-Chou zu-rückgebracht haben.«
    »Ja«, sagte Mr. McKenny, der jetzt auf der Hut war.
    »Wir würden Sie gern interviewen. Wenn Sie uns er-zählen könnten, wie Sie den Vogel gefangen haben und so weiter. Könnte ich –«
    »Nun ja, vielen Dank, aber da gibt es nicht viel zu er-zählen. Der Vogel flog mir auf das Fensterbrett, ich habe 130
    mit ihm gesprochen, und er ist ins Zimmer gehüpft, das war alles.«
    »Nur eine kleine Geschichte und vielleicht ein Foto«, bettelte der Reporter. »Es dauert nur ein paar Minuten. Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.«
    »Oh, bitte –«
    Doch der

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