Die Augen der Toten 02 - Die Augen der Toten Teil 2
Bernhard Laurenz, der mit Annette zum Haftprüfungstermin gekommen war.
Am Nachmittag, nachdem wie zuvor in einer Pizzeria Halt gemacht hatten, saßen Eva, Bernhard und ich an meinem Küchentisch. Annette Laurenz war zu ihrem Bruder Uwe gefahren. Auch die liebe Verwandtschaft wollte schließlich informiert werden.
„Auf Ferdinand Giebel kannst du dich verlassen“, versicherte Bernhard. „Wenn dich einer da raushauen kann, dann er.“
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“
„Du brauchst dich nicht zu bedanken“, wiegelte Franks Vater ab.
„Wird auch gegen Sie ein Verfahren eingeleitet werde?“, fragte Eva.
Bernhard hatte uns reinen Wein eingeschenkt. Als er uns erzählte, was wirklich in Papes Wohnung geschehen war, hatten wir ihm regelrecht an den Lippen gehangen, Niemand machte ihm einen Vorwurf, aber die Gewissheit, einem Mann gegenüberzusitzen, der einer Leiche die Augen ausgestochen hatte, war zumindest für Eva ein Schock. Ich hingegen ertappte mich bei dem Gedanken, so etwas wie Hochachtung für ihn zu empfinden.
„Ich weiß es nicht, Kind“, entgegnete Bernhard. „Es ist mir auch nicht mehr wichtig. Wenn ich mir Sorgen mache, dann um Annette, nicht um mich.“
Ich schenkte Kaffee nach. Noch immer wartete ich auf den richtigen Moment. Aber der schien nicht kommen zu wollen. „Sei mir bitte nicht böse, wenn ich dir damit zu nahe trete, aber ich muss das einfach wissen. Es ist wichtig. Was kannst du mir über Deus Ex Machina sagen?“
„Ich hätte nicht ‚Walter‘ sagen dürfen, stimmt´s?“ Bernhard schmunzelte. „Wieso interessierst du dich für die Bruderschaft?“
„Frank hat einen Schnellhefter mit belastendem Material über Deus Ex Machina angelegt.“
Bernhard schien verwirrt. „Belastendes Material? Wie kommst du darauf? Walter Beekmann hatte dafür gesorgt, dass Frank ein von Ehemaligen finanziertes Stipendium bekam. Ich spende selbst einen gewissen Prozentsatz meines Einkommens für derlei Förderungen. Was soll daran falsch sein? Ich kann ja verstehen, dass dir die Geheimniskrämerei sauer aufstößt, aber Deus Ex Machina ist eine vollkommen harmlose Institution, die auf tadellosen Werten beruht.“
„Das sehe ich aber anders. In Franks Mappe ist von Gesinnungen die Rede, die alles andere als tadellos sind.“
„Zeig sie mir.“
„Was?“
„Zeig mir die Mappe.“
„Das kann nicht sein“, murmelte Bernhard eine halbe Stunde später. „Das ist völlig unmöglich. Deus Ex Machina beruht auf christlicher Weltanschauung und Tradition. Mit Rassismus oder gar Fanatismus hat das nicht das Geringste zu tun. Jedenfalls nicht, als ich selbst noch aktives Mitglied war. Wir hatten nie eine Revolution im Sinn, Philip. Während der Großteil der Studenten durch die Straßen marschierte und nach Anarchie krakelte, haben wir mit der Bruderschaft eine gewaltfreie Alternative schaffen wollen.“
„Du bist ein Gründungsmitglied“, begriff ich. „ Deshalb war auch Frank in der Bruderschaft. In welcher Position sind die anderen Altgedienten heute zu finden? Wer gehörte noch dazu?“
„Das kann ich dir nicht sagen.“
„Professoren?“, spekulierte ich. „Lokalpolitiker? Anwälte, wie du?“
„Lass es, Philip. Glaub mir, du bist auf dem Holzweg. Wenn hier von Aufruhr die Rede ist“, er tippte mit dem Zeigefinger auf Franks Schnellhefter, „dann spiegelt das nicht das Bild wieder, dass ich von Deus Ex Machina habe.“
„Und wenn hier gar nicht die Organisation als solche gemeint ist?“, warf Eva ein.
„Wie meinst du das?“, fragte ich.
„Na ja“, stammelte Eva, die sich in der Rolle der Wortführerin sichtlich unwohl fühlte. „Vielleicht hat sich innerhalb der Bruderschaft ein militanter Flügel gebildet. Eine Splittergruppe. In jeder politischen oder religiösen Vereinigung kommt es doch früher oder später zu Grabenkämpfen. Auf der einen Seite die Moderaten, auf der anderen die Hardliner. Wäre doch denkbar.“
Bernhard und ich starrten sie mit offenen Mündern an.
*
Martin Rensing musterte den gedrungenen Mann Ende Fünfzig mit einem Gefühl von Abscheu. Mit seinen zurückgekämmten Haaren, der Designerkrawatte und den wie mit dem Lineal gezogenen Bügelfalten seiner Anzughose, wirkte er wie ein geleckter Winkeladvokat, der für ein gutes Honorar die eigene Mutter verkauft. Jan Lohoff saß mit versteinerter Miene an seiner Seite. Er sah blass und übermüdet aus.
„Sie halten meinen Mandanten jetzt seit über drei
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