Die Augen der Ueberwelt
stehen. »Dieser üble Geruch bekommt mir nicht.«
»Er störte auch mich«, versicherte ihm Fabeln. »Doch sobald wir die Tür hinter uns geschlossen haben, ist nichts mehr davon zu bemerken.«
»Das kann ich nur hoffen«, brummte Cugel verdrossen. »Er würde mir den Appetit rauben. Wo ist ...«
Noch ehe er weitersprechen konnte, warfen sich kleine, unangenehm klamme Leiber auf ihn, von denen der abscheuliche Gestank ausging. Ein Durcheinander quietschender Stimmen drang in sein Ohr, sein Schwert und Beutel wurden ihm entrissen, eine Tür schwang auf, und man stieß ihn in einen niedrigen Höhlenraum. Im Schein flackernder gelber Flammen sah Cugel jene, die ihn überwältigt hatten: Kreaturen, die ihm bis zum Gürtel reichten, mit bleicher Haut, spitzen Gesichtern und aus dem Oberkopf wachsenden Ohren. Ihre Haltung war leicht geduckt, und ihre Knie ließen sich im Gegensatz zu denen von Menschen nach hinten biegen. Ihre Füße, die in Sandalen steckten, schienen sehr weich und geschmeidig zu sein.
Cugel schaute sich bestürzt um. Ganz in der Nähe kauerte Fabeln und starrte ihn voll Verachtung, gemischt mit boshafter Befriedigung, an. Cugel bemerkte jetzt das Metallband um seinen Hals, von dem eine lange Kette ausging. Im hinteren Ende der Höhle war ein Greis mit langem, weißem Haar angekettet. Noch während Cugel auf ihn starrte, legten ihm die Rattenmenschen ein Metallband um den eigenen Hals. »Haltet ein!« rief er entrüstet. »Was soll das? Ich dulde keine solche Behandlung!«
Die Rattenwesen versetzten ihm einen Stoß und rannten davon. Cugel bemerkte jetzt erst ihre langen, schuppengepanzerten Schwänze. Sie wuchsen aus seltsam spitzen Gesäßen, die wiederum aus eigens dafür bestimmten Öffnungen in den schwarzen Kitteln ragten, wie alle sie trugen.
Die Tür schwang zu, die drei Männer waren allein.
Cugel fuhr Fabeln wütend an: »Du hast mich hereingelegt und so meine Gefangennahme verursacht. Das ist ein schweres Verbrechen!«
Fabeln lachte bitter. »Nicht schwerer als dein Betrug! Erst deine gemeine Täuschung ließ mich die Höhle betreten. Ich beschloß lediglich, mich dafür zu rächen.«
»Das ist eine Bosheit sondersgleichen!« brüllte Cugel. »Ich werde dafür sorgen, daß du deine gerechte Strafe bekommst!«
»Pah!« brummte Fabeln. »Verärgere mich nicht mit deinen müßigen Drohungen. Außerdem lockte ich dich nicht allein aus Bosheit in die Höhle.«
»Nein? Welches war der zweite erbärmliche Anlaß?«
»Ganz einfach. Die Rattenwesen sind ungemein schlau. Wem es gelingt, zwei andere in die Höhle zu locken, erhält die Freiheit. Du bist der erste. Nun brauche ich nur noch einen, dann bin ich frei. Das stimmt doch, Zaraides, nicht wahr?«
»Nicht ganz«, entgegnete der Greis. »Ihr könnt diesen Mann nicht für Euch rechnen, denn widerführe Gerechtigkeit, würdet Ihr und er mir zugeschrieben werden, denn brachten nicht meine Pergamente Euch beide zur Höhle?«
»Zur Höhle, doch nicht ins Innere«, erklärte Fabeln. »Darin liegt der entscheidende Unterschied! Da stimmen die Rattenmenschen mit mir überein, und deshalb ließen sie Euch auch nicht frei.«
»In diesem Fall«, warf Cugel ein, »müssen sie dich mir gutschreiben, da ich dich in die Höhle schickte, um die Lage zu erkunden.«
Fabeln zuckte die Schulter. »Das ist eine Sache, die du mit den Rattenleuten klären mußt.« Er runzelte die Stirn und blinzelte. »Warum sollte ich nicht mich selbst für mich gutschreiben lassen? Das ist ein Punkt, der erwogen werden muß.«
»Nichts da! Nichts da!« quiekten Stimmen hinter dem Gitter. »Wir rechnen lediglich Zugänge, die nach der Inhaftierung herbeigelockt wurden. Fabeln wird demnach niemandem gutgeschrieben, während er selbst eine Gutschrift bekommt, nämlich diesen Cugel. Zaraides hat keine Gutschrift.«
Cugel steckte den Finger in seinen neuen eisernen Kragen. »Was ist, wenn es uns nicht gelingt, zwei Personen zu liefern?«
»Nun, ihr habt einen Monat Zeit. Wenn es euch in dieser Spanne nicht gelingt, werdet ihr gefressen.«
Fabeln sprach in nüchterner Überlegung: »Ich glaube, ich bin bereits so gut wie frei. Meine Tochter wartet in der Nähe auf mich. Sie ist seit neuestem versessen auf wilden Lauch und eine Plage für unsere Familie. Es ist nur Rechtens, daß ich durch sie freikomme.« Er nickte zufrieden.
»Es dürfte interessant sein zu sehen, wie du es bewerkstelligst«, sagte Cugel. »Wo ist sie denn genau, und wie kannst du sie
Weitere Kostenlose Bücher