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Die Augen der Überwelt

Die Augen der Überwelt

Titel: Die Augen der Überwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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ab. Lautlos wie ein Schatten erreichte er den zweiten Unhold, der im Sterben einen röchelnden Schrei von sich gab. Der dritte Bandit eilte herbei, um nach dem Rechten zu sehen. Cugel sprang aus seiner Deckung und durchbohrte den Halbmenschen, der kreischend den Dolch zog und auf Cugel einstürmte. Doch Cugel hüpfte zurück, griff nach einem schweren Stein und warf ihn. Gefällt wie ein Baum lag der Bandit nun auf dem Boden und verzog haßerfüllt die Fratze.
    Vorsichtig näherte sich Cugel ihm. »Da dein Tod nicht mehr abzuwenden ist, kannst du mir verraten, was du von verborgenen Schätzen weißt.«
    »Ich weiß von keinen«, antwortete der Halbmensch. »Wüßte ich es, wärst du der letzte, dem ich es sagte, denn du bist mein Tod.«
    »Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Ihr habt mich verfolgt, nicht ich euch. Weshalb?«
    »Um zu essen, zu überleben, obgleich Leben und Tod gleichermaßen trostlos sind und ich das eine wie das andere verachte.«
    Cugel dachte darüber nach. »In diesem Fall kannst du mir doch die Rolle nicht verübeln, die ich in deiner Versetzung von einem Daseinszustand in den andern spielte. So bringe ich die Frage nach verborgenen Kleinodien noch einmal zur Sprache. Vielleicht hast du ein letztes Wort dazu zu sagen.«
    »Ja, ich habe ein letztes Wort. Du sollst mein einziges Kleinod sehen.« Der Halbmensch kramte in seinem Beutel und brachte ein rundes weißes Steinchen zum Vorschein. »Dies ist der Schädelstein eines Grues, und er prickelt momentan vor Kraft. Ich benutze diese Kraft, dich zu verfluchen und den sofortigen Beginn eines schwärenden Todes auf dich herabzubeschwören.«
    Hastig versetzte Cugel dem Banditen den Todesstoß und seufzte tief. Die Nacht hatte ihm nur Unbill gebracht. »Iucounu«, schwor er, »wenn ich überlebe, wird es eine schreckliche Abrechnung geben!«
    Er drehte sich um und betrachtete die Festung. Einige der Steine würden schon bei der kleinsten Berührung fallen, andere dagegen viel Mühe kosten. Vielleicht lebte er gar nicht so lange, die Arbeit zu Ende zu führen? Wie hatte doch der Fluch des Banditen gelautet? »... sofortiger Beginn eines schwärenden Todes ...« Reine Boshaftigkeit! Der Fluch des Geisterkönigs war nicht weniger bedrückend. Womit drohte er? »... einer immerwährenden Langeweile ...«
    Cugel rieb sich das Kinn und nickte ernst. Die Stimme hebend, rief er: »Lord Geist, ich kann nicht bleiben und tun, was du mir auftrugst. Ich habe die Banditen getötet und gehe jetzt. Mögen Euch die Äonen wie im Flug vergehen!«
    Aus der Tiefe des Turmes erklang ein Stöhnen, und Cugel spürte den Druck des Nichts. »Der Fluch trete in Kraft!« hörte er im Kopf.
    Eilig schritt Cugel südostwärts dahin. »Ausgezeichnet«, murmelte er. »Alles ist gut. Der ›sofortige Beginn des Todes‹ und die ›immerwährende Langeweile‹ heben sich gegenseitig auf. Bleibt mir nur das Schwären, dem ich durch diesen Firx ohnehin bereits ausgesetzt bin. Bei Verwünschungen muß man eben sein Köpfchen benutzen.«
    Er wanderte durch die Öde, bis die Festung längst außer Sicht war, und schließlich gelangte er wieder ans Meer. Er stieg zum Gestade und blickte den Strand entlang. Sowohl im Osten als auch im Westen ragte eine dunkle Landzunge ins Wasser. An der Küste entlang wandte er sich ostwärts. Die See spülte über den Strand, dessen Sand unberührt von Fußspuren war.
    Ein dunkler Punkt weit voraus entpuppte sich allmählich als kniender Greis, der Sand siebte.
    Cugel blieb stehen, um ihn zu beobachten. Würdevoll nickte der Alte, ohne sich in seiner Arbeit stören zu lassen.
    Schließlich vermochte Cugel seine Neugier nicht länger zu zügeln. »Was sucht Ihr denn so eifrig?« erkundigte er sich. Der Alte legte das Sieb ab und rieb sich die Arme. »Der Vater meines Urgroßvaters verlor einst ein Amulett irgendwo am Strand. Ein ganzes Leben lang siebte er Sand in der Hoffnung, das Verlorene wiederzufinden. Sein Sohn und nach ihm mein Großvater, dann mein Vater und jetzt ich, der Letzte unseres Geschlechts, taten es ihm gleich. Die ganze Strecke von Cil bis hierher siebten wir den Sand, doch immer noch liegen sechs Meilen bis Benbadge Stull vor mir.«
    »Das sind mir fremde Namen«, gestand Cugel. »Was ist Benbadge Stull denn für ein Ort?«
    Der Greis deutete auf die Landzunge im Westen. »Ein uralter Hafen, von dem nun allerdings nur noch eine verfallene Ufermauer, ein brüchiger Kai und ein paar Hütten übrig sind. Früher segelten Schiffe von

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