Die Augen des Drachen - Roman
Ordnung? Wirklich alles in Ordnung?«
»Kein bisschen verletzt«, sagte Peter. »Wir müssen weg von hier.«
»Mein König!«, rief Dennis und fiel vor dem benommenen Peter auf die Knie, wobei er immerfort sein seliges, albernes Grinsen grinste. »Mein Treueeid, auf ewig! Ich schwöre …«
»Schwöre später!«, rief Peter und musste lachen, er konnte nicht anders. Wie Ben ihn auf die Beine gezogen hatte, so zog er jetzt Dennis hoch. »Verschwinden wir von hier!«
»Welches Tor?«, fragte Ben. Er wusste - wie Peter auch -, dass Flagg bereits wieder auf dem Weg nach unten war. »Dem Lärm nach zu urteilen kommen sie von allen Seiten.«
In Wirklichkeit glaubte Ben, jede Richtung wäre für den bevorstehenden Kampf recht, der damit enden würde, dass sie letztlich doch niedergemetzelt wurden. Aber Peter, benommen oder nicht, wusste genau, wohin er gehen wollte.
»Zum Westtor«, sagte er. »Und zwar schnell! Lauft! «
Die vier rannten los, und Frisky folgte ihnen auf den Fersen.
135
Immer noch fast fünfzig Meter vom Westtor entfernt traf Peters Gruppe auf ein Kontingent von sieben verschlafenen, verwirrten Gardisten. Die meisten von ihnen hatten in einer der warmen unteren Küchen Schutz vor dem Sturm gesucht, Met getrunken und sich gegenseitig versichert, jetzt hätten sie etwas, was sie noch ihren Enkelkindern erzählen konnten. Ihr »Anführer« war ein Junge von nur zwanzig Jahren und erst Goshawk - was wir einen Unteroffizier nennen würden, denke ich. Aber er hatte nichts getrunken und war einigermaßen wachsam. Und er war entschlossen, seine Pflicht zu tun.
»Halt, im Namen des Königs!«, rief er, als Peters Gruppe sich seiner etwas größeren näherte. Er versuchte, diesen Befehl mit donnernder Stimme zu geben, aber ein Geschichtenerzähler sollte stets so nahe wie möglich bei der Wahrheit bleiben, und daher muss ich euch erzählen, dass die Stimme des Goshawk mehr ein Piepsen als ein Donnern war.
Peter war natürlich unbewaffnet, aber Ben und Naomi hatten Kurzschwerter dabei und Dennis seinen rostigen Dolch. Alle drei stellten sich sofort vor Peter. Ben und Naomi griffen zu den Waffen. Dennis hatte seinen Dolch bereits gezückt.
»Halt!«, brüllte Peter, und seine Stimme war donnernd. »Ihr dürft nicht ziehen!«
Ben warf Peter einen überraschten, sogar schockierten Blick zu.
Peter trat nach vorn. Er stand da, seine Augen leuchteten im Mondschein, und der leichte eisige Wind kräuselte seinen Bart. Er trug die zerlumpte Kleidung eines Gefangenen, aber sein Gesicht war gebieterisch und majestätisch.
»Halt, im Namen des Königs, sagst du«, sagte Peter. Er ging ruhig auf den entsetzten Goshawk zu, bis beide beinahe Brust an Brust standen - weniger als fünfzehn Zentimeter trennten sie. Ungeachtet der Waffe in seiner Hand und ungeachtet der Tatsache, dass Peters Hände leer waren, wich der Gardist einen Schritt zurück. »Ich möchte dir etwas sagen, Goshawk: Ich bin der König! «
Der Gardist leckte sich die Lippen. Er drehte sich zu seinen Männern um.
»Aber …«, begann er. »Ihr....«
»Wie ist dein Name?«, fragte Peter leise.
Der Goshawk klappte den Mund auf. Er hätte Peter in einem Sekundenbruchteil durchbohren können, aber er stand nur da und starrte ihn mit offenem Mund an, wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Wie lautet dein Name, Goshawk?«
»Mein Lord … ich meine … Gefangener … Ihr … ich …« Der junge Soldat verstummte noch einmal unsicher, dann sagte er hilflos: »Mein Name ist Galen.«
»Und weißt du, wer ich bin?«
»Ja«, knurrte einer der anderen. »Wir kennen dich, Mörder! «
»Ich habe meinen Vater nicht ermordet«, sagte Peter leise. »Der Hofzauberer hat es getan. Er ist hinter uns her, und ich rate dir - ich rate es dir wirklich sehr eindringlich
-, dich vor ihm zu hüten. Bald wird er keinen Unfrieden in Delain mehr stiften, das verspreche ich im Namen meines Vaters. Aber nun musst du mich passieren lassen.«
Es folgte ein langes Schweigen. Galen hob wieder das Schwert, als wollte er Peter durchbohren. Peter verzog keine Miene. Er schuldete den Göttern einen Tod; diesen schuldete er ihnen, seit er als winziges, schreiendes Baby aus dem Schoß seiner Mutter gekommen war. Es war eine Schuld, die jeder Mann und jede Frau hat. Wenn er diese Schuld jetzt begleichen musste, so sollte es geschehen … aber er war der rechtmäßige König, kein Rebell und kein Thronräuber, und er wollte nicht weglaufen oder weichen oder zulassen, dass seine Freunde
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