Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
Arm auf dem Knie, und starrte zu Boden. Er wirkte völlig erschöpft, fast wie betäubt. »Mindestens zwölf. Warst du noch nicht auf dem Friedhof?«
»Doch.« So sind sie also gestorben , dachte er.
»Und das sind nur die, die wir gefunden haben. Es gab noch mehr, deren Überreste sind aber nie aufgetaucht.« Minho zeigte geistesabwesend in Richtung der verschlossenen Lichtung. »Der Scheißfriedhof ist aus gutem Grund hinten im Wald. Kann einem richtig die Laune verderben, wenn man jeden Tag an seine niedergemetzelten Freunde erinnert wird.«
Minho rappelte sich auf, packte Alby an den Armen und nickte dann in Richtung seiner Füße. »Da, greif dir die Käsemauken. Wir müssen ihn rüber zum Tor tragen. Dann haben sie wenigstens eine Leiche, die morgen früh sofort zu finden ist.«
Thomas konnte nicht glauben, was für krankes Zeug Minho von sich gab. »Das kann doch alles nicht wahr sein!«, schrie er die Wände an und drehte sich im Kreis herum. Er hatte das Gefühl, gleich durchzudrehen.
»Hör auf hier rumzublöken. Hättest die Regeln befolgen und drinnen bleiben sollen. So, und jetzt fass an.«
Die Krämpfe in Thomas’ Magen wurden schlimmer, aber er ging zu Alby und hob ihn an den Füßen hoch. Halb trugen, halb zerrten sie den fast leblosen Körper die dreißig Meter bis zum senkrechten Spalt am Tor, wo Minho ihn in einer halb sitzenden Haltung an die Wand lehnte. Alby rang nach Luft, seine Brust hob und senkte sich heftig und er war schweißgebadet. Er sah aus, als würde er nicht mehr sehr lange durchhalten.
»Wo ist er denn gebissen worden?«, wollte Thomas wissen. »Kann man das sehen?«
»Die beißen nicht. Sie stechen nur. Das kann man nicht sehen. Wahrscheinlich hat er Dutzende von Stichen am ganzen Körper.« Minho verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Mauer.
Aus irgendeinem Grund fand Thomas die Vorstellung von Stichen noch schlimmer als von Bissen. »Stechen? Was heißt das?«
»Du musst die Dinger gesehen haben, Alter, damit du kapierst, was das heißt.«
Thomas zeigte auf Minhos Arme und Beine. »Und warum hat das Ding dann nicht dich gestochen?«
Minho zuckte mit den Schultern. »Hat es ja vielleicht – womöglich klappe ich jeden Augenblick zusammen.«
»Die …«, fing Thomas an, wusste aber nicht, wie er es sagen sollte. Ihm war immer noch unklar, ob Minho das ernst meinte.
» Die gab es nicht, es gab nur den einen, von dem wir geglaubt haben, er wäre tot. Der ist ausgerastet und hat Alby gestochen, aber dann ist er abgehauen.« Minho blickte zurück ins Labyrinth, in dem mittlerweile fast völlige Finsternis herrschte. »Aber er ist sicher bald mit einem ganzen Haufen von seinen Kumpels wieder da, um uns mit seinen Nadeln fertigzumachen.«
»Nadeln?« Die Sache klang von Minute zu Minute beunruhigender.
»Genau, Nadeln.« Minho wollte das nicht weiter ausführen.
Thomas blickte die gigantischen Wände hinauf, die mit dicken Kletterpflanzen bedeckt waren. Von reiner Verzweiflung hatte sein Gehirn endlich auf Problemlösung umgeschaltet. »Können wir da nicht hochklettern?« Er sah Minho an, der kein Wort sagte. »Das Gewächs – können wir nicht daran hochklettern?«
Minho stieß einen deprimierten Seufzer aus. »Du scheinst uns echt für einen Haufen Schwachköpfe zu halten, Frischling. Glaubst du im Ernst, wir wären nie auf die geniale Idee gekommen, die verdammten Mauern hochzuklettern?«
Thomas merkte, wie Wut in ihm hochstieg. »Ich will dir doch nur helfen, Mann. Warum hörst du nicht endlich auf, an allem, was ich vorschlage, rumzumosern, und erklärst mir endlich mal was?«
Minho sprang auf Thomas zu und packte ihn am Hemd. »Weil du nichts kapierst, du Neppdepp! Einen Klonkdreck weißt du und du machst alles nur noch schlimmer, weil du Hoffnung hast. Wir sind tot, verstehst du? Tot!«
Thomas wusste nicht, was in diesem Augenblick stärker war – Wut auf Minho oder Mitleid mit ihm. Er gab viel zu schnell auf.
Minho blickte hinunter auf seine Hände an Thomas’ Hemd und Scham trat in sein Gesicht. Langsam ließ er los und wich zurück. Aufgebracht zog Thomas sein Hemd zurecht.
»Oh Mann, oh Mann«, flüsterte Minho und sank zu Boden, das Gesicht hinter geballten Fäusten. »Ich habe noch nie im Leben so viel Angst gehabt. Noch nie.«
Thomas wollte etwas erwidern, ihn anschreien, dass er endlich nachdenken und ihm alles erklären soll. Irgendwas!
Er wollte gerade etwas sagen, als er das Geräusch hörte. Minho fuhr auf
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