Die Ausgesetzten
ihm war es vorgekommen, als hätte sie wochenlang Abend
für Abend das Haus mit ihrem Geschluchze erfüllt: »Wie konnte sie das nur zu mir sagen! Warum-sagt-jemand-nur-so-etwas?«
Jonas hatte ein ziemliches Talent dafür entwickelt, diese Dinge auszublenden. Aber Andreas Träne machte ihm zu schaffen. Sie
wirkte so viel trauriger und weckte in ihm den Wunsch zu helfen.
Schon wischte sie die Träne ungeduldig fort, als wollte sie nicht eingestehen, dass sie überhaupt da war.
»Ersparen Sie mir das«, sagte sie. »Schicken Sie uns einfach zurück. Jetzt gleich.«
Ihre Stimme klang hart. Sie hätte eine Königin sein können, die eine Hinrichtung anordnete oder Soldaten befahl in den Krieg
zu ziehen.
»Äh, Andrea, das halte ich für keine gute Idee«, wandte Katherine ein. »Jonas und ich werden zwar da sein, um dir zu helfen,
aber wenn wir uns in einem anderen Jahrhundert aufhalten wollen, ist es wahrscheinlich gut, so viel wie möglich im Voraus
zu erfahren.«
Daran erkannte Jonas, dass sogar Katherine Angst hatte. Vielleicht hoffte auch sie, dass es noch eine Möglichkeit gab, nicht
in die Vergangenheit zurückkehren zu müssen.
»HK kann uns doch sagen, was wir wissen müssen, sobald wir dort ankommen, oder nicht?«, schlug Andrea vor, immer noch mit
ausdrucksloser Miene.
»Das könnte ich machen«, sagte HK. »Ich werde ständig über den Definator mit euch in Verbindung bleiben.«
Jonas schnitt eine kleine Grimasse, als er daran dachte, wie viel Ärger er, Katherine und ihre beiden Freunde im fünfzehnten
Jahrhundert mit einem Definator gehabt hatten. Die Tatsache, dass er immer noch nicht genau wusste, wie das Gerät funktionierte,
war Teil dieses Problems. Es war ein Zeitreiseinstrument aus der Zukunft, das wesentlich mehr zu leisten imstande war als
alles, was Jonas je gesehen hatte. Dabei nahm es jeweils die Gestalt ganz normaler Gegenstände der Epoche an, in der es sich
gerade befand. Im einundzwanzigstenJahrhundert hatte es meist wie ein iPhone ausgesehen.
Im fünfzehnten Jahrhundert hatte es einem Stein geglichen. Dennoch war es in der Lage gewesen, Mittelenglisch zu übersetzen,
mit HK zu kommunizieren, Jonas, Katherine und ihre Freunde unsichtbar zu machen und – ach ja – seinen Freund Chip derart auf
die Palme zu bringen, dass er das Gerät quer durchs Zimmer geschleudert hatte.
Jonas überlegte, wie er die Probleme mit dem Definator ansprechen sollte, ohne in Andreas Augen wie ein Feigling dazustehen
oder ihr Angst einzujagen. Doch sie griff HKs Bemerkung bereits auf.
»Na schön«, sagte sie. »Dann geben Sie uns den Definator und wir machen uns auf den Weg.« Sie setzte sich gerade hin und ihr
Sessel richtete sich ebenfalls auf, dass Jonas an eine Vogelmutter denken musste, die ihre Jungen aus dem Nest schubst.
»Ich halte das nicht für die beste –«, setzte HK an. Dann verstummte er und sein Gesicht nahm einen verblüfften Ausdruck an. Nicht länger an Andrea gewandt,
drehte er sich leicht zur Seite. »Wirklich? Bist du sicher?«
Er ging ein paar Schritte zur Seite, wie jemand, der plötzlich von einem Anruf auf dem Headset unterbrochen wird. Natürlich
konnte Jonas rings um HKs Ohren nicht die Spur eines Headsets erkennen. Doch in seinem Zeitalter wären sie wahrscheinlich
mikroskopisch klein, nahm er an.
»Ja? Ja? Und
die
Berechnung hast du durchgeführt?Gerade eben?« HK schwieg einen Moment. »Schon gut, Sam, ich weiß, dass es deine Aufgabe ist, an alles zu denken, aber trotzdem … das ging schnell.« Wieder eine Pause. »Ach so, als Katherine gefragt hat, nicht Andrea. Das erklärt es schon eher.« Er wartete
und lachte dann gequält. »Nein, natürlich denke ich an den Hund.«
HK wandte sich wieder an das Trio.
»Ich wurde korrigiert«, erklärte er. »Mein Top-Analyst sagt, es wäre tatsächlich am besten, wenn wir euch sofort losschicken
und ins Bild setzen würden, sobald ihr da seid. Das erscheint mir zwar nicht eingängig, aber das ist bei Berechnungen nichts
Ungewöhnliches.«
»Berechnungen?«, fragte Andrea nervös.
»Vorausberechnungen«, erklärte HK. »Vorhersagen. Unsere Zeitanalysten überprüfen vor jeder Reise sämtliche Variablen, die
ihnen einfallen, und ebenso viele Kombinationen von Variablen, um festzustellen, was zum besten Ergebnis führen könnte.«
»Aber«, wandte Jonas ein, »du hast doch gesagt, dass die Berechnungen nicht immer …« Er klappte den Mund zu, bevor das letzte Wort
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