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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Liebe.
    Am unteren Bildrand standen die Worte
Eleanor und Virginia
.
    Behutsam berührte Katherine das Gesicht der Frau auf dem Bild.
    »Sie sieht dir sehr ähnlich, Andrea«, murmelte sie. »Das ist mir gar nicht aufgefallen, als HK uns diese DVD gezeigt hat   … oder was immer es war.« Sie gab eine Artpeinlich berührtes Schnauben von sich. »Aber da hatte sie dich gerade erst auf die Welt gebracht. Vielleicht sehen sich Frauen
     kurz nach einer Geburt nicht sehr ähnlich.«
    Jonas hatte nicht die Absicht,
das
zu kommentieren. Er warf einen Blick auf das Bild: Es war mit Sicherheit die Frau aus der Szene, die HK ihnen gezeigt hatte.
     Und sie sah wirklich aus wie Andrea, oder so, wie Andrea in zehn oder fünfzehn Jahren aussehen könnte.
    Er schaute zu Andrea hinüber, um sie zu vergleichen. Doch diese hatte das Gesicht abgewandt.
    Die Marker berieten sich immer noch. Beide Jungen schüttelten den Kopf und zuckten bedauernd mit den Schultern. John Whites
     Gesicht verdüsterte sich vor Enttäuschung.
    Es war sonnenklar, was die beiden Marker gesagt hatten. John White hatte wissen wollen, ob die beiden seiner Tochter und seiner
     Enkeltochter schon einmal begegnet waren; ob sie wussten, wo seine Familie war.
    Und die Jungen hatten
nein
gesagt.
    John Whites Marker schluckte schwer und rang um Fassung. Er machte eine schwache Armbewegung, um die Jungen aufzufordern weiterzublättern.
    Das nächste Bild, zu dem Jonas auf dem echten Block ebenfalls umblätterte, zeigte einen Indianer. Stolz und mit gerecktem
     Kinn hatte er sich in Positur gestellt. Er trug nichts außer einem Lendenschurz, es sei denn, man wollte die Tätowierungen
     auf seiner Brust und die Federn in seinem Haar mitzählen. Unten auf dem Blatt stand das Wort
Manteo
.
    »Manteo war der Indianer, der sich mit den Engländern am besten verstand«, sagte Andrea. »Glaubt ihr, die Jungen kennen ihn?
     Das wäre vielleicht ein Hinweis!«
    Doch die Markerjungen schüttelten bereits die Köpfe. John Whites Marker verzog gequält das Gesicht und vergrub es in den Händen.
    »Nein, gib nicht auf!«, brach es aus Andrea heraus.
» Ich
bin doch hier! Sieh mich an!« Sie fuchtelte mit den Händen vor dem Gesicht des Mannes herum, der natürlich durch sie hindurchsah.
     Sie glitt durch den Marker hindurch und packte den echten Mann an den Schultern.
    »Warum kannst du mich nicht sehen?«, rief sie. »Warum kannst du mich nicht hören? Warum weißt du nicht, dass ich hier bin?«
    »Andrea«, sagte Katherine sanft. »Ich glaube nicht   –«
    Doch Andrea war bereits verstummt. Ein entsetzter Ausdruck trat in ihr Gesicht.
    »Seht ihn euch an«, murmelte sie. »Ohne seinen Marker sieht er   … sieht er   …«
    Schrecklich aus, war das, was Jonas in den Sinn kam. Ohne seinen Marker war John White aschfahl, auch wenn ihm der Schweiß
     in die Haare lief. Seine Wangen waren eingesunken und hatten bleiche Höhlen.
    »Er sieht aus, als würde er sterben«, flüsterte Andrea. »Schnell! Helft mir, ihn wieder mit seinem Marker zusammenzubringen!«
    Doch gerade als sie an seinen Schultern zu ziehen begann – und noch ehe Jonas die Chance hatte, zuüberlegen, ob sie damit das Richtige taten   –, lehnte sich John Whites Marker zurück und verschmolz mit dem echten Mann, bis hin zu den geschlossenen Augen. Gab der Marker
     auf?
    Nein. Er schien weitersprechen zu wollen, auch wenn er das Bewusstsein zu verlieren drohte.
    »Bitte«, sagte John White, der nun, da er wieder mit seinem Marker zusammen war, das Gleiche dachte und sagte. »Bitte bringt
     mich nach Croatoan. Vermögt ihr mich nach Croatoan zu bringen?«
    Jonas blickte gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie die beiden Markerjungen mit dem Kopf nickten.

Sechsundzwanzig
    »Das ist es!«, rief Andrea aus. Ein Lächeln trat in ihr Gesicht und löschte die Verzweiflung aus. »Jetzt verstehe ich, wie
     alles verlaufen soll! Wir fahren zusammen nach Croatoan und dort finden wir dann meinen Marker! Das ist nur logisch, wenn
     die Kolonie von Roanoke dorthin übergesiedelt ist. Und wenn ich mit meinem Marker vereint bin, kann mein Großvater mich sehen.
     Er wird wieder genesen und endlich auf die Beine kommen   …«
    Sie bückte sich und umarmte ihren Großvater. Der echte Mann schreckte zurück, also ließ sie von ihm ab.
    »Vergiss nicht, dass dein Marker eine Dreijährige sein wird, Andrea«, warnte sie Jonas. »Wenn du dich mit ihm zusammentust,
     musst du wieder zum Vorschulkind werden – wobei sie zu

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