Die Auswanderinnen (German Edition)
„Warum lässt du dich nicht scheiden, wenn er dir so zuwider ist?“, fragte sie, nicht zum ersten Mal, und erwartete auch heute keine nachvollziehbare Antwort.
„Ich lasse mich scheiden, sobald die Mine großes Geld abwirft. Keinen Tag früher!“
Damit war klar, dass dieser Tag noch lange auf sich warten lassen würde, denn Miras Mine warf bislang rein gar nichts ab. Sie verfügte über kein Einkommen, sondern war während all der Jahre ihrer Ehe von ihrem Mann abhängig gewesen. Und weil dieser angeblich aus steuerlichen Gründen viel Bargeld auf die Seite gebracht und ein paar unvernünftige Investitionen getätigt hatte, waren das gemeinsame Wohnhaus und die Praxis mit hohen Hypotheken belastet. Mira konnte ihm nicht nachweisen, dass er sie diesbezüglich belog. Sie wusste auch nicht, wo und wie er den Großteil seiner üppigen Honorare angelegt hatte. Und so träumte sie, seit sie den Claim für die Opalmine geerbt hatte, davon, die Scheidung einzureichen, sobald die Mine genügend abwarf.
Die Mine war eine Hinterlassenschaft ihres Onkels, der vor zehn Jahren gestorben war und seine Nichte anscheinend gut gekannt hatte, denn er hätte keinen anderen Erben finden können, der sein Lebenswerk mehr geschätzt und geliebt hätte als Mira. Miras einzige Chance mit intaktem Selbstbewusstsein und Gewinn aus ihrer Ehemisere herauszukommen war ihrer eigenen Meinung nach also die Mine. Ihr Mann wiederum hatte seine eigenen Gründe dafür, die Ehe aufrechtzuerhalten, sie diente ihm als eine Art Schutzschild, hinter das er sich zurückzog, sobald eine seiner unzähligen Affären mit Ansprüchen auf ihn zukam.
Jo Ann entschied, auf Whisky umzusteigen. „Was möchtest du trinken?“, fragte sie Mira. „Ich hole mir einen Whisky.“
„Überredet.“ Mira warf ihre Kippe in den nächststehenden Aschenbecher. Sie gingen zurück zu Jo Anns altem Platz, den John sofort bereitwillig für sie räumte. Jo Ann machte sich am Tresen breit, damit Mira ebenfalls genug Platz fand, und bestellte ihre Drinks.
„Da kann man nur hoffen, dass du bald fündig wirst“, knüpfte Jo Ann wieder an ihr vorangegangenes Gespräch an. „Bisher war es ja nicht so üppig.“
„Mach dir mal keine Sorgen, ich bin ganz nahe dran, das spüre ich in meinen morschen Knochen. Nur noch ein paar Meter Buddelarbeit, dann finde ich eine Ader. Meine neue Rute hat neulich schon wie wild ausgeschlagen.“
Ja, ja, so wie bei allen anderen Schürfern auch, dachte Jo Ann und fragte: „Hast du die Rute von Tim?“
Tim war ein bekannter Wünschelrutengänger, der sein Wissen und seine Ruten für teures Geld verkaufte. Niemand wollte sich seinen Claim von einem Wildfremden auskundschaften lassen, also war man gezwungen, das Wünschelrutensuchen selbst zu erlernen.
Mira zündete sich eine Zigarette an. „Ja, ich habe sie mir gleich nach meiner Ankunft gekauft und ausprobiert. Toll! Wie gesagt, ich bin ganz nah dran. Aber jetzt ist der verdammte Regen dazwischengekommen.“
„Er wird schon wieder aufhören.“
„Ich sage dir, wenn es so weiterregnet, bekommen wir richtigen Ärger“, begann Mira von neuem mit dem Thema. „Und keiner wird uns helfen. Der ganze verfluchte Staat steht unter Wasser, und die ganze verfluchte Regierung sitzt in Canberra auf ihren fetten Ärschen und tut nichts. Hast du schon gehört, dass der alte Charlie vermisst wird? Er ist letzte Woche nochmals rausgefahren, als alles schon überflutet war, und ist noch immer nicht zurück.“
„Er wird schon wieder auftauchen“, murmelte Jo Ann.
„Glaube ich nicht. Wenn da mal einer verschwunden ist ... wer soll ihn denn suchen? Kommt doch keiner mehr raus. Er steckt wahrscheinlich irgendwo fest und ist am Verhungern. Vielleicht ist er verletzt und kann sich nicht bewegen, vielleicht ist er sogar schon tot! Eine widerliche Vorstellung, der arme Charlie, so ganz allein da draußen. Den finden sie nicht mehr, das kannst du mir glauben ...“ Plötzlich wurde Mira klar, was sie da sagte, und sie verstummte. Was für eine unglaubliche Tölpelin sie doch war! Genauso war es doch Jo Anns Mann vor vielen Jahren ergangen. War er nicht auch im Busch verschollen und später für tot erklärt worden? Wie hatte sie nur so gedankenlos sein können. „Tut mir leid“, entschuldigte sie sich kleinlaut, „ich wollte dich nicht ...“
„Ist schon gut“, meinte Jo Ann. „Prost!“ Sie hob ihr Glas. „Ex und hopp?“
Und schon kippte sie den doppelten Whisky in einem Zug die Kehle
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