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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Geigen
künstler
zu werden, zu erfüllen, genügte allein nicht, ich versagte in jeder Geigenstunde auf das kläglichste, und der Steiner reagierte immer in der Weise darauf, daß er mein Versagen als ein
Verbrechen
bezeichnete, ein Mensch
in einer solchen hochmusikalischen Verfassung
wie ich begehe mit dem
Zerstreuungsverbrechen
das größte Verbrechen überhaupt, meinte er immer wieder und, was auch für mich selbst klar und fürchterlich gewesen war, die Gelder meines Großvaters für meinen Geigenunterricht seien zum Fenster hinausgeworfen, mein Großvater sei aber, so Steiner, ein ihm so sympathischer Mensch, daß er ihm nicht ins Gesicht sagen könne, er solle die Hoffnung, daß aus mir auf der Geige etwas zu machen sei, aufgeben, und wahrscheinlich dachte der Steiner auch, daß zu dieser chaotischen Zeit des bevorstehenden Kriegsendes ja alles tatsächlich und diese ganze Sache mit mir also selbstverständlich auch schon vollkommen gleich sei. Deprimiert war ich aber noch sehr oft am Hexenturm vorbei in die Wolf-Dietrich-Straße und wieder zurück gewandert, und die Geige war ja auch
mein kostbares Melancholieinstrument
gewesen, das mir, wie ich schon angedeutet habe, Zugang in die Schuhkammer verschaffte und in alle schon angedeuteten Umstände und Zustände in der Schuhkammer. Obwohl ich sehr viele Verwandte hatte in der Stadt, bei welchen ich als Kind, mit der Großmutter vor allem, vom Land herein in die Stadt gefahren, zu Besuch gewesen war, in vielen dieser alten Häuser an beiden Salzachufern, und ich kann sagen, daß ich mit Hunderten von Salzburger Bürgern verwandt war und auch heute noch verwandt bin, hatte ich doch niemals auch nur das geringste Verlangen gehabt, diese Verwandten aufzusuchen, instinktiv glaubte ich nicht an die Nützlichkeit solcher Verwandtenbesuche, und was hätte es geholfen, diesen Verwandten, die,
wie ich heute sehe, nicht nur instinktiv fühle
wie damals, vollkommen eingeschlossen sind in ihre tagtägliche Stumpfsinn verarbeitende Industrie, diesen Verwandten mein Leid zu klagen, ich wäre auf nichts anderes als auf völlige Verständnislosigkeit gestoßen, wie ich ja auch heute, ginge ich hin, nur auf Verständnislosigkeit stoßen würde. Der Knabe, der alle diese zum Teil sehr wohlhabenden Verwandten nacheinander einmal besucht hatte an der Hand der Großmutter zu allen möglichen familiären Gelegenheiten, hatte diese Leute wahrscheinlich gleich vollkommen durchschaut gehabt und ganz richtig reagiert, er besuchte sie nicht mehr, sie waren zwar hinter ihren Mauern in allen diesen alten Gassen und auf allen diesen alten Plätzen vorhanden, und sie lebten ein recht einträgliches und daher recht wohlhabendes Leben, aber er suchte sie nicht auf, lieber wäre er zugrunde gegangen, als sie aufzusuchen, sie waren ihm von allem Anfang an immer nur widerwärtig gewesen und sie sind ihm über Jahrzehnte widerwärtig geblieben, nur auf ihren Besitz konzentriert und auf ihren Ruf bedacht und in katholischer oder nationalsozialistischer Stumpfsinnigkeit vollkommen aufgegangen, hätten sie auch dem Knaben aus dem Internat nichts zu sagen gehabt, geschweige denn, dem bei ihnen Hilfesuchenden geholfen, im Gegenteil, er wäre, wenn er zu ihnen gegangen wäre und selbst in der fürchterlichsten Verfassung, von ihnen nur vor den Kopf gestoßen und von ihnen zur Gänze vernichtet worden. Die Einwohner in dieser Stadt sind durch und durch kalt und ihr tägliches Brot ist die Gemeinheit und die niederträchtige Berechnung ist ihr besonderes Kennzeichen, daß er bei solchen Menschen auf nichts als völlige Verständnislosigkeit gestoßen wäre in seinen Ängsten und Hunderten von Verzweiflungen, war ihm klar gewesen, er suchte sie also niemals auf. Und von seinem Großvater hatte er naturgemäß auch nur eine fürchterliche Beschreibung dieser Verwandten. So war ich, der ich in dieser Stadt mehr Verwandte hatte als alle andern im Internat, denn die meisten hatten überhaupt keinen Verwandten in Salzburg, gleichzeitig der Verlassenste von allen. Nicht ein einziges Mal war ich, auch nicht in der größten Bedrängnis, in eines dieser Verwandtenhäuser hineingegangen, immer wieder
vorbeigegangen ja, aber niemals hineingegangen
. Zu viele ihn vor den Kopf stoßende Erfahrungen mit den Salzburgern und vor allem mit den uns verwandten hatte schon mein Großvater machen müssen, als daß es mir möglich gewesen wäre, in die Häuser dieser Verwandten hineinzugehen, es hätte viele Gründe gegeben,

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