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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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ich noch nichts, mir ging nur alles, was mit dem Jungvolk zusammenhing, gegen den Strich. Das Laufwunder hatte nur innerhalb des Jungvolks seine Wirkung getan und alle daraus resultierenden Vorteile ausgenützt, in der Schule hatten sie davon keine Kenntnis genommen. Nach wie vor war meine Lage eine entsetzliche. Hier grüßte ich ungeschickt mit Heil Hitler und bekam eine Ohrfeige. Hier nickte ich aus Erschöpfung während der Deutschstunde ein und bekam zehn saftige Rohrstockschläge. Ich mußte Dutzende von Seiten füllen mit dem immer gleichen Satz:
Ich muß aufmerksam sein
, zur Strafe. Meine Peiniger hatten eine ungeheure Erfindungsgabe. Aber meine Peiniger waren nicht nur meine Lehrer, auch meine Mitschüler peinigten mich. Vielleicht bin ich hochmütig? dachte ich. Oder gerade das Gegenteil von hochmütig? Wie ich es auch drehte, es gab keine Lösung. Der Erziehungshorizont verfinsterte sich. In dieser Zeit kam eine Frau Doktor Popp, die mit einem Stadtarzt verheiratet gewesen war und in der Nähe des Krankenhauses wohnte, etwa zweimal im Monat zu uns in die Schaumburgerstraße und brachte in einer größeren Ledertasche gebrauchte Wäsche, Socken etcetera und einen sogenannten Gesundheitskuchen mit. Sie trug ein enggeschnittenes Kostüm und hatte die glatten Haare auf dem Hinterkopf zu einem großen Knoten gebunden. In der Marienstraße hatte sie ihr Amtszimmer. Im ersten Stock saß sie hinter einem Schreibtisch und musterte mich von oben bis unten, wenn ich eintrat, um eine
milde Gabe
abzuholen, denn wir waren in Traunstein als arm registriert und wurden von der Fürsorge unterstützt. Ich fürchtete diese Frau, und ich konnte zuerst immer kein Wort herausbringen, wenn ich ihr gegenüberstand. Daß ich mich nach Entgegennahme der milden Gabe bedanken mußte, war mir zutiefst zuwider. Ich bebte vor Wut, wenn ich zur Frau Doktor Popp gehen mußte, und bebte noch mehr in der Demütigung, die es für mich bedeutete, die milde Gabe aus der Hand der Frau Doktor Popp in Empfang zu nehmen. Vor der Wäsche grauste es mich, der Gesundheitskuchen blieb mir im Hals stecken. Meine Mutter hatte nichts gegen die Doktor Popp. Du mußt freundlich sein zu der Dame, sagte sie. Mein Großvater, der auf dem Heiligen Berg thronte, kümmerte sich um solche Nebensächlichkeiten nicht, aber ich drohte genau in diesen Hunderten von Nebensächlichkeiten zu ersticken. Sie häuften sich, und ich bekam schon keine Luft mehr. Aber die Doktor Popp fürchtete ich wie nichts, ich ahnte etwas, wenngleich ich unfähig war, herauszubekommen, was. Ich hatte mich nicht getäuscht. Eines Tages erschien die Doktor Popp bei uns in der Schaumburgerstraße, Eingang Taubenmarkt, und sagte zu meiner Mutter, sie würde mich auf Erholung schicken.
In ein Heim tief im Wald. Der Junge braucht eine andere Luft
. Zu meiner größten Enttäuschung war meine Mutter von der Mitteilung der Doktor Popp begeistert. Sie bedankte sich schon im voraus und schüttelte der Doktor Popp, deren böse Blicke mich bei dieser Gelegenheit rücksichtslos durchbohrten, die Hände. Ich hätte, kaum war die Doktor Popp wieder draußen, ein
Nein
herausschreien wollen, aber ich hatte nicht die Kraft dazu. Meine Mutter empfand es wohl schon gleich als Erleichterung, daß ich für eine Zeit von der Szene verschwinden sollte. Sie selbst hatte nicht mehr die Kraft, mit mir fertig zu werden. Ich war nicht mehr zu bändigen, es gab jeden Tag Streitereien, manchmal gipfelten sie in einem zerschlagenen Küchenfenster, durch das meine Mutter, wütend über mich, Tassen und Töpfe geworfen hatte, wenn sie einsah, daß der Ochsenziemer nicht mehr ausreichte. Ich sah selbst ihre Verzweiflung, und sie ist absolut frei von Schuld. Sie war meiner schon lange nicht Herr geworden. Sie war völlig erschöpft an dem Kind, das sie nicht mehr bändigen konnte. Allein die Aussicht, daß ich für einige Zeit aus ihrer Nähe verschwinden sollte, machte sie frei, wenn auch nicht glücklich. Mich deprimierte diese Tatsache, ich verstand nicht, daß die Mutter ihr Kind mehr oder weniger zum Teufel wünschte, wie ich dachte. Noch größer war die Enttäuschung darüber, daß mein Großvater gegen einen solchen Erholungsurlaub
tief im Wald
nichts einzuwenden hatte. Er fand die Doktor Popp, die er nur einmal flüchtig gesehen hatte, grauenhaft, aber
diese Frau will nur Dein Bestes
, sagte er. Jetzt war ich völlig alleingelassen. Wieder verfiel ich in die trübsten Gedanken, und ich dachte an Selbstmord. Daß

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