Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)
und hielt ihn in den Lichtkegel, eine Spritze.
»Ich werde dir was zum Schlafen geben. Wenn du aufwachst, werden die Handschellen verschwunden sein. Ich will dir eine faire Chance geben. Ich bin doch kein Untier.«
»Eine faire Chance?«
Norbakk ließ die Taschenlampe in einem Bogen durch den Keller schweifen. Die Decke war so hoch, dass man fast aufrecht stehen konnte. Der Raum war durch ein Gitter abgeteilt.
»Dieser Ort sollte dich interessieren, Glenne. Dein Vater muss hier mehrere Male während des Krieges gewesen sein. Mein Großvater half ihm zu fliehen. Kurz bevor er selbst verhaftet wurde. Gut möglich, dass sie befreundet waren. Sie hatten hier einen Radiosender, sogar eine Druckmaschine, doch keine Gefangenen. Das kam erst später, lange nach Kriegsende. Mein Vater hat das Gitter gebaut.«
Er leuchtete in eine Ecke. Dort lag ein riesiges dunkles Bündel. Es atmete langsam und schwer.
»Was zum Teufel ist das?«
»Pst, nicht so laut! Oder willst du ihn etwa schon aufwecken?«
Norbakk schwenkte die Taschenlampe ein paarmal über das Bündel hinweg.
»Es ist gar nicht schwer, so ein Tier zu fangen, wenn man seine Lebensweise kennt. Wenn man weiß, wo es sich aufhält. Wie es reagiert, wenn man einen Köder ausgelegt und ihn mit Erde und Zweigen bedeckt hat. Dann muss man sich nur noch still verhalten und warten. Aber diesen Koloss hätte ich niemals allein hierherbringen können. Du solltest meinen Bruder sehen …«
Axels Augen standen sperrangelweit offen. Er konnte nicht glauben, was er da sah.
»Der hat dasselbe Mittel bekommen, das ich dir geben werde. Eine Weile wird er noch schlafen. Auch du wirst jetzt schlafen … und irgendwann wieder aufwachen.«
Er zeigte auf das mächtige Tier, dessen dunkler Pelz sich hob und senkte.
»Dann wirst du hinter dem Gitter sein, zusammen mit ihm.« Er beugte sich hinab und stach Axel blitzschnell die Spritze in den Oberarm.
»Was ist mit dir, Glenne? Magst du etwa keine Teddybären?«
67
E rneut hatte ihn die Dunkelheit umschlossen. Er trieb in ihr dahin. Fühlte sich wie in Trance. Ich habe dich gefunden, Axel. Über sich sieht er Miriams Gesicht.
Miriam , sagt er. Bereust du es, Axel?
Nein. Du warst es, die ich finden wollte. Habe dich von Anfang an gesucht. Da lächelt sie zu ihm herab. Ich will, dass du lebst. Mit einem Finger schließt sie seine Augen. Eine Gruppe von Menschen kommt den Hügel hinauf und zur Tür herein. Sie halten Kerzen in den Händen und scharen sich um ihn. Daniel beugt sich zu ihm herab und legt ihm eine Blume auf die Brust. Eine Rose. Tom weint. Sein Gesicht hat sich geöffnet. Ich habe getan, was ich konnte, Tom. Habe versucht, dir genauso nah zu sein. Bie trägt einen kleinen, schwarzen Hut. Vor ihrem Gesicht ist ein Schleier. Sie drückt Marlen an sich. Ihre Augen sind hart und dunkelblau und sehen aus wie Edelsteine, an deren Namen er sich nicht erinnert.
Er setzte sich ruckartig auf. Die Handschellen hingen ihm um das eine Handgelenk, die Hände waren frei. Der Gestank war immer noch so beißend wie zuvor. Doch er nahm auch einen anderen durchdringenden Geruch wahr. Frischer und feuchter. Er traf stoßweise sein Gesicht und wurde jedes Mal von einem leisen Gurgeln begleitet. Er saß gegen das Gitter gelehnt. Eingesperrt!, schoss es ihm durch den Kopf. Zusammen mit dem Tier. Er tastete den Boden ab. Berührte etwas, hob es auf, um zu prüfen, ob es sich als Waffe benutzen ließ. Ließ es sofort fallen, als er begriff, worum es sich handelte. Es war ein Beinstumpf mit den Überresten eines Fußes.
»Norbakk!«, brüllte er und rüttelte am Gitter.
Ein klirrendes Geräusch in der Ecke zu seiner Linken. Der große dunkle Pelz bewegte sich träge. Ein Tier, das allmählich erwachte. Er wich so weit wie möglich zurück. In diesem Moment wurde die Dachluke geöffnet. Licht fiel herein und bildete einen Kreis neben ihm. Dann kam Norbakk die Leiter heruntergeklettert.
»Gut geschlafen?«
Seine Stimme war hell und sanft.
»Okay, ich habe verstanden, dass Sie es ernst meinen!«, rief Axel. »Öffnen Sie die verdammte Tür! Er wacht auf!«
»Ja«, flüsterte Norbakk. »Jetzt wacht er auf. Die Zeit ist gekommen.«
Er richtete den Lichtkegel auf den Pelz an der Wand. Zwei schwarze Augen wurden sichtbar.
»Er hat hier keine Not gelitten. Ich bin doch kein Tierquäler. Nur viel zu fressen hat er leider nicht bekommen. Die beiden Ersten, die hier unten waren, durfte er ein wenig kratzen, bevor ich ihn wieder betäubt
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