Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)
durch seinen Kopf, er sank zusammen und verlor erneut das Bewusstsein.
»Was ist passiert, Axel?«
Die Stimme des Vaters ist kalt und beherrscht, und das ängstigt ihn mehr als seine Wutausbrüche.
»Ich weiß es nicht.«
Er blickt zu Boden, aber ihm entgeht nicht, dass sein Vater bedächtig den Kopf schüttelt.
»Glaubst du etwa, du kannst mich zum Narren halten?«
»Nein, Vater.«
»Ihr wart zusammen. Nur ihr beide und sonst niemand. Also bitte sag mir jetzt, was passiert ist.«
Axel starrt auf die Schuhe des Vaters. Sie glänzen kastanienbraun im Licht, das durch das Wohnzimmerfenster fällt. Er und Brede haben einen Pakt geschlossen. Wenn er ihn bricht, gibt es niemand mehr, der seinen Bruder beschützt.
»Frag Brede«, bringt er über die Lippen.
»Das habe ich schon getan. Brede behauptet steif und fest, dass er es nicht war, doch mehr will er nicht sagen. Du weißt, dass er ständig versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Er hatte mehrmals die Chance, es zuzugeben, ist aber nur unverschämt geworden.«
Der Vater atmet ein paarmal schwer.
»Ich weiß, dass Brede und du niemals schlecht übereinander reden würdet. Das ist an sich eine schöne Sache.«
Sein Tonfall ist freundlicher geworden, das macht alles nur noch schlimmer. Wenn sich diese Freundlichkeit bemerkbar macht, hat man gewonnen. Wenn sie verschwindet, verliert man alles.
»Aber in diesem Fall musst du eine Ausnahme machen. Denn einen Hund zu töten ist genauso schlimm wie einen Menschen zu töten. Darum frage ich dich jetzt zum letzten Mal: War es Brede?«
»Ja, Vater.«
Er spürte einen harten, runden Gegenstand an seinem Rücken, vielleicht ein Rohr. Seine Glieder waren völlig steif, er musste seit Stunden so dagesessen haben. Er spürte, dass seine Hände mit Handschellen fixiert waren, und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Ich wurde niedergeschlagen. Er war hier. Er hat mir in der Hütte aufgelauert. Die Polizei ist nicht gekommen. Der Keller … Ich bin im Keller gefangen.
»Miriam«, flüsterte er.
Irgendwo links von ihm hörte er im Dunkeln ein Schnaufen. Es waren Atemzüge, die langsamer und kräftiger waren als seine eigenen. Der faulige Geruch war so stark, dass er davon aufgewacht war. Er war einmal dabei gewesen, als die Polizei die Tür zur Wohnung einer alten Dame aufbrach, die seit über zwei Wochen niemand mehr gesehen hatte. Aber dieser Gestank war schlimmer. Er atmete so langsam wie möglich durch den Mund, um ihn irgendwie auszuhalten. Unterdrückte den Drang, einfach loszubrüllen. Zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben. Das ist meine einzige Chance, dachte er, ohne zu wissen, warum. Ganz ruhig zu bleiben. Miriams einzige Chance.
66
E r wurde durch ein Geräusch geweckt. Der Lichtstreifen war verschwunden. Es musste Abend oder Nacht sein. Unmittelbar über seinem Kopf hörte er Schritte. Eine Tür wurde geschlossen. Die Schritte kehrten zurück, verharrten. Etwas wurde über den Boden geschoben, ein Möbelstück. Dann öffnete sich eine Luke. Grelles Licht blendete ihn und brannte in den Augen. Er kniff sie zusammen. Hörte jemand die Leiter herunterkommen. Ein Tritt gegen seinen Fuß. Der Lichtstrahl war immer noch auf sein Gesicht gerichtet. Dahinter eine schemenhafte Gestalt, die sich über ihn beugte.
»Sind Sie wach?«
Er konnte den anderen immer noch nicht erkennen. Wusste aber in diesem Moment, wer es war.
»Ich hab was zu trinken für Sie.«
Eine Plastikflasche wurde ihm zwischen die Lippen geschoben. Die Flüssigkeit roch völlig neutral. Er trank ein paar Schlucke.
»Was wollen Sie von mir, Norbakk?«, murmelte er.
Der Lichtkegel schwenkte zur Seite.
»Die Frage ist eher, was Sie von mir wollen. Sie sind doch schließlich hier eingebrochen.«
Axel holte so tief Luft, wie er konnte. »Miriam …«
Norbakk schien leise in sich hineinzulachen.
»Sie dürfen ihr nichts tun«, stöhnte Axel. »Es lag allein an mir, dass sie …«
»Halt die Schnauze!«, fauchte Norbakk. »Ich weiß alles, was ihr getan habt, bis ins kleinste Detail. In der Waldhütte habt ihr’s getrieben und in ihrem Bett. Sie war scharf auf dich. Versuch ja nicht, sie zu verteidigen, sonst werde ich vielleicht auch noch wütend auf dich.«
Erneut richtete er die Taschenlampe auf sein Gesicht.
»Ich hab nichts gegen dich, Glenne«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ist schon okay, dass du sie gefickt hast. Ich habe es dir erlaubt. Du bist schon in Ordnung. Wärst du nicht hierhergekommen, hätte ich dich
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