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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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lachte spöttisch. »Der Kleinste spielt sich wieder auf, als sei er Offizier!«
    Mathias nahm das Vorhängeschloss aus der Tasche. »Das habe ich aus der Kirche in Arcen. Macht’s mal auf!« Das Schloss wurde herumgereicht, keiner konnte es öffnen. Weyers schob es weg. »Der will sich nur wichtig machen. Das Schloss muss man aufbrechen.«
    Mathias holte einen gebogenen Nagel aus der Tasche und löste den Bügel. Overtüsch fasste seinen Arm. »Ist das ein Trick, oder kannst du das wirklich?«
    »Wenn an dem Gitter ein Vorhängeschloss ist, kann ich es.« Heckmann schlug beide Hände klatschend auf die Tischplatte, dass die Flaschen und Becher klirrten. »Kleiner, wenn du das schaffst, dann wirst du Offizier.«
    Weyers sprang auf »Und was ist mit mir? Wie lange warte ich schon darauf?«
    Overtüsch nahm den Lackhut und schlug ihn dem feinen Weyers auf den Kopf »Zieh dich erst mal richtig an!«
    Eine halbe Stunde vor Mitternacht sollten alle an der Westseite von Groß-St.-Martin sein. »Kurz nach zwölf geht es los.« Die Männer verließen einzeln und in großen Abständen das kleine Wirtshaus.
    Eine Stunde vor Mitternacht verließ Overtüsch die Schenke ›Zur Sonne‹ am Alter Markt. Er trug eine Laterne in der Hand und leuchtete sich den Weg. An der Westseite von Groß-St.-Martin war es dunkel. Hierher wagte sich in der Nacht kaum ein Bürger. Overtüsch zischte leise durch die Zähne. Als Antwort kam ein kurzer Pfiff. Zwei dunkle Gestalten lösten sich von der Mauer. Die Gefährten hatten ihre Laternen gelöscht.
    Seit die Franzosen 1794 in Köln einmarschiert waren, durfte nachts kein Bürger mehr ohne Laterne oder Fackel über die Straße gehen. Vor dem Theater in der Komödienstraße boten sich jeden Abend die Lichtmänner an. Die Besucher, die keine Laterne mit in die Vorstellung genommen hatten, mieteten sich für zwei Fettmännchen einen dieser Lichtmänner und ließen sich heimleuchten.
    Um halb zwölf waren alle Kumpane eingetroffen. Overtüsch prüfte die Säcke und nahm das Brecheisen von Heckmann. Leise erklärte er jedem einzelnen seine Aufgabe. Zu Mathias sagte er: »Du fängst an.«
    Kurz nach Mitternacht schlichen die Männer durch die engen Straßen. Nur Overtüsch trug noch seine abgedunkelte Blendlaterne, deshalb machten sie einen Umweg durch den Perlengraben, die Straße der Weißgerber. Es war sehr dunkel. Hier quoll ihnen ein süßlicher Verwesungsgestank entgegen. Sie waren still, nur ab und zu hörte man einen halblauten Fluch, wenn einer der Männer in einen Abfallhaufen getreten war. Hier faulten Fleischreste, die die Gerber von den Tierhäuten und Fellen abgeschabt hatten. Selbst Overtüsch, der sich nie wusch, ging schneller.
    In der Schildergasse glimmte an einem Haus noch eine heruntergebrannte Pechfackel. Der Wind war heftig. Wolken trieben wie Fetzen am Himmel. Manchmal streifte das Mondlicht über die Karren und Dreckhaufen, die den Durchgang erschwerten. Overtüsch hob die Hand und zischte. Sofort blieben die Männer stehen. »Los jetzt, Weber, mach schnell!« Die Männer verbargen sich in den Eingängen der Nachbarhäuser und hinter Karren und Abfallhaufen, dort, wo auch das Mondlicht sie nicht mehr erreichen konnte. Als keiner mehr zu sehen war, huschte Mathias geduckt hinüber zum Haus der Witwe Fettweiß und kauerte sich vor das Kellerfenster.
    Es war still in der Gasse. Plötzlich hörte Overtüsch Schritte. Er hob das Brecheisen und sah, wie Heckmann sich halb aufrichtete und langsam sein breites Messer zog. Ein schwankendes Licht kam näher. Eine Gestalt torkelte zwischen Abfallhaufen und Gerümpel durch die Schildergasse. Dann stolperte sie und stürzte in den Dreck. Fluchend und brummend stand der Mann wieder auf, seine Laterne war ausgegangen. Der Betrunkene tapste am Haus der Witwe Fettweiß vorbei. Overtüsch ließ das Brecheisen sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Mathias kam zurück und kauerte sich neben ihn. »Das Schloss ist ab, du musst das Fenster in der Mitte aufdrücken.«
    »Gut. Hier, halt das Brecheisen.«
    Mit der abgedunkelten Laterne ging Overtüsch auf die Gasse hinaus. Wieder zischte er leise, und die vier Kumpane, die ihm helfen sollten, kamen aus ihren Verstecken. Vorsichtig gingen sie auf das dunkle Haus zu. Overtüsch setzte den Fuß in der Mitte des Fensters an. Mit einem scharfen Knacken sprangen die Flügel auseinander. Angespannt horchte er, aber nichts regte sich auf der Straße oder im Haus. Er rutschte durch das

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