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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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zerschlissenen Decken an den Bodenspalt. Es war Dezember, und im Raum gab es nur einen kleinen, qualmenden Ofen. Jetzt um die Mittagszeit saßen noch keine Gäste an den vier weiß gescheuerten Tischen. Erst in der Dämmerung würde sich das Wirtshaus mit Rheinschiffern und fliegenden Händlern füllen.
    Overtüsch sprach mit dem Wirt, gab ihm einen Reichstaler und wurde in die kleine Hinterstube geführt. Der Wirt brachte Becher und zwei Flaschen Branntwein. »Es kommen noch sieben Männer. Bring sie her, dann vergiss, dass du uns gesehen hast, sonst schlitz ich dir den Hals auf!« Er legte den dreieckigen Hut auf den Tisch und schob seinen Hirschfänger darunter. Dann riss er den Korken mit den Zähnen aus einer der Flaschen, spuckte ihn auf den Boden und nahm einen tiefen Schluck. Aus den Mundwinkeln liefen Speichel und Schnaps in seinen roten Bart. Dicke Schweißperlen standen ihm auf der flachen Stirn, er wischte sie mit der Hand in seine blassroten Haare hinein. Augustin Overtüsch, seit ein paar Wochen Offizier in Heckmanns Bande, war fünfunddreißig Jahre alt, groß und sehr breit. Seine kleinen grünlichen Augen standen dicht an der Nasenwurzel.
    Diesmal war er zum Anführer gewählt worden und hatte den Männern befohlen, sich für den geplanten Raubzug wie einfache Handwerker zu kleiden. Overtüsch hasste die kurzen Bundhosen, sie schnürten die Kniekehlen ein. Über dem verschwitzten, kragenlosen Hemd trug er eine weite Weste aus blauem Tuch. Den Mantel hatte er achtlos auf den Boden geworfen.
    Die Düwels Trück hatte die Kleider besorgt. Ihr Preis war die Hälfte des Schmucks gewesen, den die Räuber bei Boisserée erbeutet hatten. Außerdem hatte sie für den Tipp zwanzig Reichstaler im Voraus bekommen, weil die Männer gleich nach dem Einbruch die Stadt verlassen wollten.
    Overtüsch ging zum Fenster und schob vorsichtig den Vorhang zur Seite. Im schmalen Hof knieten ein paar Jungen am Boden und spielten ›Küülche‹. Sie hatten ein kleines Loch in den Boden gebohrt und versuchten nun mit lautem Geschrei, ihre bunten Klicker in die Kuhle zu rollen.
    Overtüsch hörte Schritte. Mit einem Satz war er am Tisch und griff nach dem Messer. Die Tür knarrte. Als er Karl Heckmann und Mathias Weber erkannte, zog er die Hand wieder unter dem Hut hervor und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er schwitzte immer viel und schnell.
    Heckmann trank und gab die Flasche an Mathias weiter. »Verschluck dich nicht, Kleiner!« Mathias grinste und nahm einen großen Schluck. Bei Heckmann wusste er, dass der Spott nicht böse gemeint war.
    Es klopfte. Fünf Männer kamen herein, als letzter Adolph Weyers. Overtüsch starrte ihn mit offenem Mund an. Weyers legte seinen zierlichen Knaufstock auf den Tisch. Er trug einen braunen Mantel mit langem, vornehmem Kragen und einen dreieckigen, schwarzlackierten Hut.
    »Haben dich die Kinder nicht angebettelt, mein schöner Adolph?«, fragte Heckmann lachend. Aber Augustin Overtüsch schlug mit der Faust auf den Tisch. Eine steile Falte stand auf seiner Stirn zwischen den eng stehenden Augen. Er brüllte: »Was soll dieser Aufzug? Wir wollen einen Bruch machen und nicht tanzen, du Lackaffe!« Er riss ihn hart in seine Arme, presste ihn an sich, machte ein paar Tanzschritte und trat ihm dabei kräftig auf beide Schnallenschuhe. Dann ließ er ihn los. Krachend fiel Weyers auf einen Stuhl. Der Hut war ihm verrutscht, der Mantel eingerissen und die Schuhe verdreckt. Die Männer lachten ihn aus. »Heute Nacht hast du was anderes an, mein Liebchen!«
    Overtüsch setzte sich und legte eine Hand auf seinen Hut. »Ich habe mir alles genau angesehen. Wir überfallen den Laden der Witwe Fettweiß in der Schildergasse. Heckmann, Weber und Weyers, ihr macht die Wache. Ich breche das Gitter am Kellerfenster auf.« Overtüsch erklärte seinen Plan: Wenn das Aufbrechen des Kellerfensters niemanden in der Nachbarschaft alarmiert hätte, wollte er in das Lager klettern und die Waren durch das Fenster nach draußen reichen. »Wir nehmen so viel mit, wie wir tragen können. Bei St.   Gereon weiß ich ein Loch in der Stadtmauer. Da steigen wir durch und schleppen das Zeug zu einem Bauern. Ich war gestern auf dem Hof und habe einen Karren gemietet. Geteilt wird in Nettesheim!« Overtüsch sah sich um. »Noch Fragen?«
    Mathias beugte sich vor. »Wir brauchen keinen Krach zu machen. Ich kann das Schloss am Fenstergitter mit einem Nagel aufkriegen.«
    Alle sahen den Jungen ungläubig an. Weyers,

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