Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Kellerfenster, dann nahm er die Blende von der Laterne und leuchtete die Regale ab.
Die Düwels Trück hatte nicht übertrieben. Das Lager war voll mit Tuchen, silbernen Leuchtern, Kreuzen, Ringen und Ketten. Er stellte die Laterne auf ein Fass, stopfte den ersten Sack voll und reichte ihn durch das Fenster den wartenden Männern an. »Die anderen!«, keuchte er.
Nach wenigen Minuten standen draußen fünf pralle Säcke. Noch vier füllte er mit Silber, Stoffen und Schmuck, dann sah er sich noch einmal um.
Vorsichtig öffnete er die Tür zu einem kleinen Kellerraum. Er fand drei Pistolen, Pulver, Zündsteine und sogar gegossene Kugeln. In der Ecke stand auf einem Schränkchen ein kleiner geschnitzter Holzkasten. Der Schlüssel steckte. Overtüsch öffnete den Kasten und holte einen Geldbeutel heraus. Zwölf bis fünfzehn Goldpistolen! Er versteckte die Geldstücke in den verachteten Bundhosen, zog die Knieriemen enger, löschte die Laterne und stieg nach draußen. Der ganze Einbruch hatte nicht länger als eine halbe Stunde gedauert.
Jeder der acht Männer nahm sich einen Sack, Overtüsch selbst belud sich mit zwei Säcken. Er führte die Kumpane schnell um die nächste Ecke in die Krebsgasse. Sie schlichen dicht an den Hauswänden entlang. In der Kupfergasse trat Heckmann in die Rinne, in der das Abwasser stank. Er wäre fast mit dem Beutesack gestürzt. Das schnelle Gehen war wegen der unregelmäßigen und teilweise losen Pflastersteine sehr mühsam. Die Männer liefen über den Berlich durch die Weingärten bis zu St. Gereon. Zwischen Gereons- und Klapperhof war das große Loch in der Stadtmauer.
Als sie genügend weit von der Stadt entfernt waren, ließ Overtüsch anhalten. Die Männer keuchten. Sie ruhten sich aus.
Zwei Stunden brauchten sie noch, bis sie den Bauernhof erreicht hatten. Der Hund schlug an. Als der Bauer im ersten Stock ein Fenster öffnete und ängstlich »wer da?«, rief, befahl Overtüsch nur: »Leg dich schlafen!« Das Fenster schloss sich wieder. Die Bande lud die Beute auf den Karren.
In Nettesheim schlugen sie an die Tür einer Schenke. Der Wirt kannte Overtüsch und Heckmann. Bei ihm wohnten oft Gäste, die sich verstecken mussten. Er kaufte gestohlene Waren und bezahlte gut dafür.
Im Schankraum wurden Kerzen angezündet, und die Räuber trugen die Säcke herein. Heckmann und Weyers stapelten die Ware auf die Tische. Der Wirt prüfte die Stoffe und wog die Leuchter. Schließlich sagte er: »Ich kaufe alles für zweihundert Reichstaler!«
Overtüsch schlug mit der Faust auf den Tisch. »Du Schwein willst uns bescheißen!«
Der Wirt schluckte. »Zweihundertfünfzig, mehr kann ich nicht!«
Heckmann nickte, und Overtüsch sagte: »Also gut. Du holst das Geld, und wir räumen die Sachen in den Keller.«
Der Hehler weckte seine Frau, er ließ Schnaps und Suppe bringen. Overtüsch teilte das Geld. Erst nahm er sich die zwanzig Reichstaler, die er der Düwels Trück für den Tipp bezahlt hatte. Weyers und die vier anderen einfachen Bandenmitglieder bekamen jeder fünfundzwanzig Reichstaler, Heckmann und Mathias, weil er das Schloss aufgemacht hatte, vierzig. Er selbst nahm sich als Anführer die restlichen fünfzig Taler. Dann zog er die drei Pistolen aus dem Gürtel und legte sie neben das Pulver und die Kugeln auf den Tisch. »Die gehört mir«, er zeigte auf eine Waffe mit silberbeschlagenem Griff. »Heckmann bekommt die. Die letzte bekommt …« Weyers strahlte und fasste den Lauf. »Gut, ich …« Overtüsch riss ihm die Waffe aus der Hand. »Die Pistole bekommt der Weber. Er gehört jetzt zu den Offizieren.« Die Männer grölten zustimmend.
Weyers wurde weiß im Gesicht: »Den Zwerg bringe ich noch um!«
Mathias lachte ihn aus und nahm die Pistole: »Versuch’s nur!« Er streichelte den Lauf. Die Goldpistolen in seiner Bundhose verschwieg August Overtüsch den Kumpanen.
Der Einbruch bei der Witwe Fettweiß hatte die Bürger aufgeschreckt. Die Polizei führte Razzien in den Bordellen und in den verrufenen Wirtshäusern durch. Da die Beute bei keinem Kölner Hehler verkauft worden war, blieb sie unauffindbar. Die verschärften Kontrollen machten Köln als Standort für die Bande zu unsicher. Die meisten Räuber zogen nach Krefeld. Dort hatte die Bande schon früher einmal ihren Hauptsitz gehabt. Hier hatten die meisten Männer einen Unterschlupf, hier waren sie mit einigen Gendarmen gut bekannt und fühlten sich sicher.
Doch Heckmann, Overtüsch, Mathias und einige
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