Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Kumpane zogen in die Nähe von Neuß. Die Offiziere wohnten im Gasthof ›Schwan‹ in der Neußer Furt, Weyers und die anderen ein Stück weiter in einer Herberge ›An der langen Hecke‹. Dieser Standort schien ihnen günstiger zu sein. Die Verschwiegenheit der Nachbarn kauften sie mit einigen Goldstücken. Für die Tagelöhner, Heimarbeiter und kleinen Bauern war das mehr Geld, als sie in einem Jahr verdienen konnten. Deshalb waren die Leute daran interessiert, dass ihren Räubern nichts passierte. Außerdem bekamen sie für Botengänge und wichtige Informationen eine Münze zusätzlich.
Obwohl sie von den Kontrollen und nächtlichen Streifen der Polizei und der Bürgerwehr wusste, machte die Bande noch einige Einbrüche in Köln.
Bei seinen Besuchen im Bordell der Düwels Trück hatte Mathias meistens nach Gertrud gefragt. Das große, etwas kräftige Mädchen hatte ihm gefallen. Er mochte die Leberflecken auf ihrem Rücken und die zarte Haut ihrer Brüste.
Gertrud Stucks war zweiundzwanzig Jahre alt. Ihre Eltern waren bei Wesel mit dem Hof verbrannt, den Räuber überfallen und angezündet hatten. Die siebzehnjährige Gertrud war von einem Offizier mit nach Köln genommen worden, der sie bei der fetten Düwels Trück untergebracht hatte. Dann kümmerte er sich nicht weiter um sie, und Gertrud wusste nicht, was sie sonst machen sollte. So wurde sie eines der Mädchen im Bordell.
Nach dem Einbruch bei den Laurentianern verlangte Mathias noch in Köln seinen Anteil und trennte sich von der Bande. Gegen zwei Uhr morgens schlich er sich zur Düwels Trück und pochte so lange an die Tür, bis die Wirtin öffnete. Er wollte Gertrud Stucks kaufen. Er hätte Geld genug, er wolle sie für sich, sie besitzen, jetzt sofort. »Ich will endlich eine Frau haben!«
»Brauchst du sie zum Angeben?« Die Wirtin war einverstanden. Als er erfuhr, dass gerade ein französischer Offizier bei Gertrud sei, sprang er auf, rannte die Treppe hinauf und warf sich gegen ihre Tür. Beim dritten Mal gab das Schloss nach. Der Offizier saß nackt im Bett und richtete eine Pistole auf Mathias. Der stürzte sich auf ihn und der Offizier drückte ab, aber die Pistole versagte. Mathias riss den Säbel unter dem Mantel hervor und prellte dem Nackten die Waffe aus der Hand. Dann setzte er ihm die Säbelspitze an den Hals, befahl Gertrud, die Uniform herüberzuwerfen, trieb ihn aus dem Bett, jagte ihn aus dem Zimmer und trat ihm in den Hintern, dass er die Treppe hinunterfiel.
Gertrud hatte mit ihren großen Augen nur gleichgültig zugesehen. Es war ihr recht, aus dem Bordell rauszukommen. Sie packte ihre Sachen und ging mit Mathias.
Die Düwels Trück wollte jetzt kein Geld von Mathias. Sie ließ ihn aber versprechen, dass er, wenn er selbst Hauptmann sei, alle größeren Überfälle in der Kölner Gegend bei ihr plane und sie entsprechend an der Beute beteilige.
Noch in der Nacht fuhr Mathias mit Gertrud in einer Extrapost nach Neuß zurück. Am Abend des nächsten Tages stellte er sie den übrigen Bandenmitgliedern als seine Frau vor.
Gertrud liebte Mathias nicht. Er hatte sie aus dem Bordell geholt und versorgte sie. Dafür schlief sie mit ihm. Er kleidete sich vornehmer und unterhielt sich nur noch selten mit den einfachen Banditen. Er war jetzt kaum achtzehn Jahre alt, trotzdem besprachen Heckmann und Overtüsch alle geplanten Raubzüge mit ihm. Sie nahmen ihn ernst.
Dezember 1795 – Januar 1796
Gertrud hatte Mathias von einem reichen Juden in Düsseldorf erzählt. Er ließ sich über den Rhein rudern und kundschaftete das Haus des Kaufmanns aus. Es war ein alter, dreistöckiger Fachwerkbau mit einem hohen, spitzen Dachgiebel, der in einer engen Seitenstraße stand. Alle Fenster an der Vorderfront waren vergittert. Zwischen dem Geschäft des Händlers und dem Nachbarhaus führte ein enger Durchgang zu dem Bretterzaun vor den Gärten.
Mathias betrat jetzt den Laden des Juden. Über Kleiderstandern hingen Uniformen und Hüte mit Federn. Auf einem langen Tisch war zwischen einfachen Leuchtern und Töpfen nur wenig Schmuck ausgelegt. Mathias nahm einige Stücke hoch, tat, als prüfe er sie fachmännisch, und legte sie achtlos zurück. »Ist das alles?« Er zog einen Golddukaten aus der Tasche und spielte auffällig mit ihm. Jetzt führte ihn der Händler in den ersten Stock.
Im Lager waren wertvolle Tuchballen bis zur Decke gestapelt. In Glasvitrinen lagen glitzernde Ketten, Ringe, Uhren und verzierte Tabakdosen, daneben schön
Weitere Kostenlose Bücher