Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Dukatenbeutel verschwunden. Sie setzte sich auf einen alten Karren und weinte.
Mathias blieb verschwunden. Sabine weinte jeden Tag. Inzwischen war sie hochschwanger. Dann, eines Morgens, setzten die Wehen ein, und ihr Vater holte eine Frau aus der Nachbarschaft. Gegen Mittag brachte Sabine ein totes Mädchen zur Welt. An diesem Tag betrank sich Karl Hasselt vor Erleichterung.
Der Herbstwind wirbelte die ersten Blätter in den Hof der Rossschlächterei. Als Sabine in die Küche kam, erkannte sie Mathias sofort. Er stand da und grinste verlegen. Seine Uniform war verdreckt, und über der linken Augenbraue hatte er eine verharschte Schramme. Sabine warf die Arme um seinen Hals. Er befreite sich. »Wie geht es ihm?«
Sabine verstand nicht.
»Wie geht es meinem Sohn?«
Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Es war ein Mädchen.«
»Auch nicht schlimm. Wo ist es?«
»Tot«, flüsterte Sabine.
»Du hast mein Kind umgebracht!« Sein Gesicht verzerrte sich. Sie wich zurück. »Es kam tot zur Welt.« Sie stützte sich auf den Tisch. Ihre Schultern zuckten, sie weinte leise.
Nach einer Weile sagte Mathias: »Ich hab Hunger.« Als sie an ihm vorbeiging, nahm er sie in den Arm und strich ihr sanft über den Rücken. Da klammerte sie sich an ihn und schluchzte heftig.
Plötzlich wurde die Küchentür aufgestoßen. Karl Hasselt blieb erstarrt stehen. »He! Was soll …«, dann sah er, wer seine Tochter umarmte. Er stürzte zur Wand und riss ein Schlachtermesser aus der Halterung. Langsam ging er auf die beiden zu, das Messer hielt er mit der Spitze nach oben.
Sabine stellte sich vor Mathias. »Vater! Lass ihn in Ruhe!« Sie hörte, wie Mathias langsam den Säbel zog.
»Ich hab keine Angst«, zischte Mathias. »Geh zur Seite!«
Sabine bewegte sich nicht, da wurde sie von ihm zur Seite gestoßen. Im selben Moment sprang der Rossschlächter mit einem Schrei vor und stach zu. Aber der Stich ging ins Leere, Mathias war dem Messer mit einem Schritt ausgewichen. Bevor Karl Hasselt wieder zustechen konnte, war Mathias in zwei Sätzen an der Tür, drehte sich noch einmal um, lachte und lief nach draußen.
Als der Rossschlächter auf den Hof kam, war Mathias nicht mehr zu sehen.
In der nächsten Nacht hörte Sabine leise ihren Namen rufen. Sie schlich auf den finsteren Hof und versuchte, etwas zu erkennen, aber es war zu dunkel. Eine Hand legte sich auf ihren Mund. Sie erschrak, doch dann erkannte sie Mathias und schmiegte sich an ihn. Die beiden schliefen zusammen auf dem Schuppenboden. Sabine war glücklich, immer wieder berührte sie sein Gesicht und flüsterte: »Ich will bei dir bleiben.«
»Dann musst du mitgehen!« Mathias lachte. Da stand sie auf und sagte leise: »Ich hol nur ein paar Kleider.« Er sah sie verwundert an. Dann sagte sie noch: »Nimm schon mal das Geld aus dem Versteck.«
Im Morgengrauen erreichten die beiden den Marktplatz von Kerken.
Sie nahmen die Postkutsche nach Venlo. Am Abend kehrten sie in einem vornehmen Wirtshaus ein. Mathias bestellte einen Braten und viel vom besten Branntwein. Sabine war schnell betrunken und schlief noch am Tisch ein. Erst spät in der Nacht schleppte Mathias sie ins Bett.
Am nächsten Morgen ging er zur Poststation. Er mietete eine kleine Kutsche und einen Fahrer. Sie ließen sich über die Maas bringen und erreichten am Nachmittag den kleinen Ort Horst. Mathias bezahlte den Kutscher und schickte die Extrapost zurück nach Venlo. Weil Mathias nur mit Sabines Geld bezahlt hatte, waren ihre Ersparnisse bereits zur Hälfte verbraucht. So suchten sie eine billige Unterkunft.
Nach einer Woche versuchte Sabine, ihn zu überreden, eine Arbeit anzunehmen, doch Mathias lachte sie aus und lud am selben Abend einige der Herbergsgäste zum Trinken ein. Es machte ihm Spaß, fremde Menschen einzuladen und dem Herbergsdiener großzügige Trinkgelder zu geben. Er genoss es, wenn Händler und Gäste ihm zutranken. Nach der zweiten Woche waren Sabines gesamten Ersparnisse verbraucht. Mathias besaß noch achtzig Dukaten aus dem Überfall auf den Postwagen von Arnheim. Die anderen Goldstücke hatte er im Sommer ausgegeben.
Als er im April die Rossschlächterei verlassen hatte, war er wieder nach Holland gegangen. Hier hatte er sich bei den französischen Truppen einschreiben lassen. Als er nur noch hundert Dukaten hatte, war er desertiert. Die letzten achtzig Goldstücke hatte er in den Saum seines Mantels eingenäht.
Von diesem Geld wusste Sabine nichts. Sie flehte ihn an, mit dem
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