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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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herrschte Antoine seinen Kameraden
     an.
     
    Andrés Muskeln schmerzten vor Anspannung. Er versuchte krampfhaft, nicht hin und her zu rollen. Ein tiefempfundener Ekel warnte
     ihn davor, die beiden kalten Körper zu berühren, die neben ihm lagen.
    Die Fahrt auf der groben Ladefläche des Wagens wäre auch ohne die unsäglich stinkenden Nachbarn eine Tortur gewesen. Das ungefederte
     Brettergefüge, auf das er geworfen worden war, ließ ihn jeden Buckel des Kopfsteinpflasters schmerzhaft spüren. Außerdem drohte
     er unter dem rauen Leinentuch, das über ihm lag, zu ersticken. Was oder wen die fleckige Plane schon alles bedeckt hatte,
     wollte er gar nicht wissen. Er horchte angestrengt, versuchte herauszufinden, wo sie sich befanden. Das Klostertor hatten
     sie schon |569| lange passiert, und der Lärm einer belebten Straße umgab sie jetzt. Andrés Gedanken kreisten in einem wilden Reigen. Wenn
     er nicht lebendig begraben werden wollte, musste er fliehen, bevor sie den Friedhof erreichten. Doch wo war eine geeignete
     Stelle dafür? Wenn er vom Wagen sprang, während gerade eine Kompanie Garden vorbeimarschierte, wäre alles vergebens gewesen.
    Nahm der Lärm um ihn herum ab? Angespannt wartete er, horchte und bereitete sich vor, aufzuspringen, als der Wagen plötzlich
     stoppte.
    «Brrr!», hörte er Antoine rufen, der offensichtlich in die Zügel griff. «Was ist los? Stell dich hier nicht in den Weg, Weib.
     Was willst du?»
    «Bonjour, Soldat!», erklang eine junge Stimme. «Erinnerst du dich nicht an mich?»
    Es war Marie-Provence! André zögerte keinen Augenblick. In einem gewaltigen Satz sprang er auf die Beine, warf die Plane von
     sich, stieß einen kehligen Schrei aus und fuchtelte mit den Armen. Die Wirkung seiner plötzlichen Auferstehung übertraf seine
     Hoffnungen: Antoine und sein Freund fuhren herum und schnellten hoch, Marie-Provence kreischte markerschütternd. Der eine
     Soldat wich panisch zurück und fiel vom Wagen, der zweite sprang in einem riesigen Satz hinterher.
    Schon hatte Marie-Provence ihre Stelle eingenommen. «Halt dich fest!», rief sie, ergriff die Zügel und stieß ein schrilles
     Kommando aus. Der Klepper vor dem Wagen warf erschrocken den Kopf hoch und galoppierte aus dem Stand los.
     
    «Woher hast du gewusst, dass ich auf dem Wagen war?», fragte André, während er einen Gurt löste.
    Inzwischen lag Auray hinter ihnen. Sie hatten kurz nach der Stadt an einer geschützten Stelle haltgemacht und waren nun dabei,
     den Gaul von der Deichsel des Wagens loszuschnallen. Als Reittier würde das ungesattelte Pferd zwar nicht bequem sein, doch
     ihr Vorankommen wäre weniger beschwerlich und schneller als mit dem Wagen.
    |570| «Gewusst habe ich es nicht, nur geahnt», gab Marie-Provence zu. «Den ganzen Morgen haben Kerarmel und ich darauf gewartet,
     gerufen zu werden, aber nichts geschah. Inzwischen war ich mir sicher, dass etwas schiefgelaufen war, und ging zum Kloster,
     um es im Auge zu behalten. Der Leichenkarren hier war der einzige, der aus dem Gebäude kam. Aber als ich sah, dass deine zwei
     Wächter diesen hier führten, habe ich beschlossen, der Sache nachzugehen.» Sie hielt den Blick gesenkt, doch ihre Stimme veränderte
     sich. «Ich hatte schreckliche Angst, dass eine echte Leiche unter der Plane liegen würde.»
    André antwortete nicht. Er holte tief Luft. Er fühlte sich lebendig wie schon lange nicht mehr. Zwar wusste er, dass er noch
     nicht gerettet war − je nachdem, ob und wie Antoine und dessen Kamerad Alarm schlugen, waren ihnen vielleicht schon Soldaten
     auf den Fersen. Dennoch befand er sich wie in einem Rausch. Immer wieder hob er den Kopf, betrachtete den Wald um sich herum,
     sog die Sommerluft ein, schmeckte das Leben. Waren die Blätter der Eichen gestern auch schon so grün gewesen? Der Himmel so
     blau? Wie konnte es sein, dass die Welt auf einmal in so grellen Farben erstrahlte? «Du schreckst wirklich vor nichts zurück»,
     platzte es schließlich aus ihm heraus.
    «Ich hatte dir doch versprochen, dich da rauszuholen», antwortete sie zurückhaltend. «Die wichtigere Frage ist, wo du jetzt
     hinwillst.»
    «Ich kann nicht zur Armee zurück.»
    «Nein, so viel steht fest», sagte sie nachdenklich. «Leider war ich nicht auf deine heutige Flucht vorbereitet und habe nichts
     organisiert.»
    «Dich werden sie jetzt auch suchen.»
    Sie ging nicht auf seine Bemerkung ein, sondern warf einen unruhigen Blick über ihre Schulter. «Ich kenne ein

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