Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Sie’s.«
»Das kapiere ich nicht«, sagte Belknap mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Ehrfurcht in der Stimme. »Sie haben gerade Ihr Leben riskiert, um meines zu retten … ohne wirklich zu wissen, ob ich Feind oder Verbündeter bin?«
Rinehart zuckte mit den Schultern. »Sagen wir einfach, ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Und Sie mussten das eine oder das andere sein. Ein bisschen riskant, das gebe ich zu, aber wer nicht würfelt, ist nicht mit im Spiel. Oh, und bevor Sie meine Frage beantworten, sollten Sie wissen, dass ich als inoffizieller Vertreter des US-Außenministeriums hier bin.«
»Jesus!« Belknap bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen. »Consular Operations? Das Pentheus-Team?«
Rinehart lächelte nur. »Sie sind auch von Cons Ops? Wir bräuchten einen geheimen Händedruck, finden Sie nicht auch? Oder eine Clubkrawatte, deren Design allerdings ich aussuchen müsste.«
»Diese Dreckskerle«, sagte Belknap, der sich wie vor den Kopf geschlagen fühlte. »Warum hat mir das kein Mensch gesagt?«
»Jeder soll im Ungewissen bleiben – das ist die Philosophie dahinter. Fragen Sie die Jungs in der 2201 C Street, wird Ihnen erklärt, dass dieses Verfahren manchmal angewandt wird, vor allem
wenn Agenten allein im Einsatz sind. Selbstständige, nicht miteinander verbundene geheime Einheiten. Dabei wird auch hochtrabend von operativer Partition geredet. Ein potenzieller Nachteil besteht darin, dass man übereinanderstolpern kann. Der Vorteil ist, dass man Gruppendenken und Gleichschritt vermeidet und mehr als eine Annäherungsweise nutzt. Das erzählen sie einem. Aber in Wirklichkeit hat bloß irgendwer Mist gebaut, möchte ich wetten. Kommt alle Tage vor.« Während er sprach, interessierte er sich für den Inhalt des Barschranks aus Mahagoni und Messing in einer Ecke des Arbeitszimmers. Er hielt eine Flasche hoch und strahlte. »Ein zwanzig Jahre alter Slibowitz aus Suwoborska. Gar nicht übel. Ich glaube, wir könnten beide einen kleinen Schluck vertragen. Den haben wir uns verdient.« Er goss zwei Schnapsgläser halb voll, drückte eines davon Belknap in die Hand. »Hoch die Tassen!«, rief er laut.
Belknap zögerte, dann kippte er den Inhalt des Schnapsglases hinunter, während seine Gedanken weiter durcheinanderwirbelten. Jeder andere Agent in Rineharts Position hätte sich zunächst auf eine Beobachterrolle beschränkt. Wäre eine direkte Intervention notwendig gewesen, wäre sie in dem Augenblick erfolgt, in dem Lugner und seine Schergen ihre Waffen weggesteckt hätten. Irgendwann nachdem sie benützt worden waren. Belknap hätte postum einen Orden bekommen, der auf seinem Sarg gelegen hätte; Lugner wäre erschossen oder festgenommen worden. Der zweite Agent wäre belobigt und befördert worden. Organisationen bewerteten Besonnenheit höher als Tapferkeit. Von keinem Menschen konnte man erwarten, dass er sich allein in ein Zimmer wagte, in dem drei Männer mit schussbereiten Waffen standen. Das zu tun verstieß gegen alle Logik – von den bewährten Standardverfahren ganz zu schweigen.
Wer war dieser Mann?
Rinehart durchwühlte die Jackentaschen eines der toten Leibwächter, holte eine kompakte amerikanische Colt-Pistole mit
kurzem Lauf heraus, zog das Magazin aus dem Griff und begutachtete die Patronen. »Ist das Ihre?«
Belknap nickte zustimmend, und Rinehart warf ihm die Waffe zu. »Sie sind ein Mann mit Geschmack. Kaliber neun Millimeter, beschichtete Hohlladungen, geriffeltes Kupfer auf Blei. Ein ausgezeichneter Kompromiss zwischen Stoppwirkung und Durchschlagkraft – und jedenfalls nicht dienstlich geliefert. Die Briten sagen, man könne jeden Mann nach seinen Schuhen beurteilen. Ich behaupte, dass die von ihm gewählte Munition einem alles sagt, was man wissen muss.«
»Ich will Ihnen sagen, was ich wissen möchte.« Belknap versuchte noch immer, seine bruchstückhaften Erinnerungen an die letzten paar Minuten zu ordnen. »Was wäre gewesen, wenn ich kein Freund wäre?«
»Dann läge hier jetzt eine vierte Leiche für die Putzkolonne.« Rinehart legte Belknap eine Hand auf die Schulter, drückte sie beruhigend. »Aber Sie werden noch merken, dass ich größten Wert darauf lege, meinen guten Freunden ein guter Freund zu sein.«
»Und Ihren gefährlichen Feinden ein gefährlicher Feind?«
»Wir verstehen uns«, stellte sein redseliger neuer Freund fest. »Also: Was halten Sie davon, wenn wir diese Party im Arbeiterpalast verlassen? Wir haben den Gastgeber kennengelernt,
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