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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sagte er beiläufig. Er trug zerschlissene Jeans und keine Socken. »Maynard ist auf dem Weg hierher.«
    Nachdem er die Papiere auf den Schreibtisch geworfen hatte, verließ er den Raum, wobei er die Tür geräuschvoll ins Schloss warf.
    Artie würde die fünf Millionen ohne jedes Zögern annehmen, unabhängig vom Alter des Mädchens, dachte Critz. Für ihn war fünfzehn mit Sicherheit nicht zu jung. Vielleicht hätten sie in Kansas gewinnen können, wenn Artie nicht in einem Motel in Topeka mit drei Cheerleaders geschnappt worden wäre, von denen die älteste siebzehn gewesen war. Der Staatsanwalt ließ die Anklage schließlich fallen – drei Tage nach der Wahl, und nachdem die Mädchen beeidete Erklärungen unterschrieben hatten, denen zufolge sie nie Sex mit Artie gehabt hatten. Viel hatte nicht gefehlt, tatsächlich nur ein paar Sekunden – dann hatte die Mutter eines der Mädchen an die Tür geklopft und eine Orgie vereitelt.
    Der Präsident setzte sich in seinen mit Leder bezogenen Schaukelstuhl und tat so, als würde er ein paar unwichtige Unterlagen durchblättern. »Gibt es Neuigkeiten im Fall Backman?«, fragte er.
     
    In seinen achtzehn Jahren als Direktor der CIA war Teddy Maynard keine zehn Mal im Weißen Haus gewesen – nie zum Dinner (er ließ sich stets aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen) und kein einziges Mal, um einem ausländischen Spitzenpolitiker die Hand zu schütteln (nichts hätte ihm gleichgültiger sein können). Als er noch laufen konnte, schaute er gelegentlich vorbei, um mit dem jeweiligen Präsidenten oder einem oder zwei seiner Kabinettsmitglieder zu plaudern. Doch seit er im Rollstuhl saß, beschränkte sich seine Kommunikation mit dem Weißen Haus auf Telefonate. Zweimal wurde ein Vizepräsident für ein Treffen mit Mr Maynard zum Hauptquartier der CIA nach Langley chauffiert.
    Das einzig Positive an dem Rollstuhl war, dass er einen wundervollen Vorwand bot, alle missliebigen Termine abzusagen und nur noch das zu tun, was einem gefiel. Ohnehin hatte niemand Interesse daran, einen greisen Krüppel durch die Gegend zu schieben.
    Mittlerweile war Maynard seit fast fünfzig Jahren Geheimdienstler, und er genoss das Privileg, nicht mehr über die Schulter blicken zu müssen, wenn er sehen wollte, was sich hinter ihm abspielte. Er ließ sich in einem unauffälligen weißen Transporter durch die Gegend kutschieren – kugelsicheres Glas, gepanzerte Wände, zwei schwer bewaffnete Männer hinter dem schwer bewaffneten Fahrer –, und sein Rollstuhl war direkt vor der Hintertür rutschsicher am Boden befestigt, sodass er den Verkehr hinter ihnen beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. In einer gewissen Entfernung folgten zwei weitere Transporter, und falls jemand auf die unglückselige Idee kommen sollte, in die Nähe des CIA-Direktors gelangen zu wollen, wäre ihm sofort Einhalt geboten worden. Nicht dass jemand mit einem solchen Zwischenfall gerechnet hätte. Ein Großteil der internationalen Öffentlichkeit glaubte, Teddy Maynard wäre tot oder in einem jener unauffälligen Altersheime, wo greise Spione ihrem Ende entgegendämmerten.
    Und so war es ihm auch am liebsten.
    Er war in eine dicke graue Decke gehüllt und wurde von Hoby begleitet, seinem treuen Berater. Während der Wagen mit neunzig Stundenkilometern über den Beltway fuhr, schlürfte Maynard grünen Tee, den Hoby ihm aus einer Thermoskanne eingeschenkt hatte, und beobachtete die Autos hinter ihnen. Hoby saß auf einem speziell für ihn angefertigten Lederstuhl neben ihm.
    »Wo ist Backman im Augenblick?«, fragte Maynard nach einem weiteren Schluck Tee.
    »In seiner Zelle«, antwortete Hoby.
    »Und unsere Leute sind beim Gefängnisdirektor?«
    »Sie warten in seinem Büro.«
    Maynard führte den Pappbecher vorsichtig mit beiden Händen an die Lippen. Seine Hände wirkten gebrechlich, hatten die Farbe von Magermilch, und die Adern traten stark hervor. Es schien, als wären sie bereits abgestorben und warteten geduldig darauf, dass auch aus dem Rest seines Körpers das Leben wich. »Wie lange werden wir brauchen, um ihn außer Landes zu schaffen?«
    »Etwa vier Stunden.«
    »Ist alles vorbereitet?«
    »Bis ins letzte Detail. Wir warten nur noch auf grünes Licht.«
    »Hoffentlich sieht der Trottel die Dinge genauso wie ich.«
     
    Der Trottel und Critz starrten die Wände des Oval Office an, und das schwer lastende Schweigen wurde nur gelegentlich durch eine Bemerkung über Joel Backman gebrochen. Sie

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