Die Begnadigung
Uns wäre es lieber, wenn andere das für uns erledigten.«
»Ich kann nicht ganz folgen«, warf der Präsident ein.
»Unser Plan sieht folgendermaßen aus: Wenn Sie Mr Backman begnadigen und er Ihr Angebot annimmt, werden wir ihn innerhalb von ein paar Stunden außer Landes bringen. Er muss sich bereit erklären, sich für den Rest seines Lebens zu verstecken. Diese Zusage dürfte ihm nicht schwerfallen, da es etliche Leute gibt, die ihn lieber tot sähen, was ihm durchaus bewusst ist. Wir werden ihn also ins Ausland bringen, wahrscheinlich nach Europa, weil er dort leichter zu observieren ist. Er wird eine neue Identität annehmen und als freier Mann leben. Nach einer Weile werden die Leute Joel Backman vergessen haben.«
»Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte«, bemerkte Critz.
»Nein. Nach etwa einem Jahr werden wir an den richtigen Stellen ein paar Worte fallen lassen. Man wird Backman aufspüren und töten, und dadurch werden wir auf viele Fragen Antworten bekommen.«
Für einen langen Augenblick herrschte Schweigen. Maynard blickte erst Critz und dann den Präsidenten an. Als er überzeugt war, dass beide hinreichend verwirrt waren, sprach er weiter. »Ein sehr einfacher Plan, Gentlemen. Es geht nur darum, wer ihn töten wird.«
»Also werden Ihre Leute ihn im Auge behalten?«, fragte Critz.
»Sehr genau sogar.«
»Wer ist denn hinter ihm her?«, fragte der Präsident.
Maynard faltete seine bleichen Hände, lehnte sich zurück und blickte die anderen über seine lange Nase an, ganz wie ein Lehrer, der es mit ein paar Drittklässlern zu tun hatte. »Vielleicht die Russen, die Chinesen oder die Israelis. Es könnte aber auch noch andere Interessenten geben.«
Natürlich gab es sie, doch niemand erwartete von Maynard, dass er alles ausplauderte. Er hatte es nie getan und würde es nie tun, und dabei spielte es keine Rolle, wer gerade Präsident war und wie lange er schon im Oval Office saß. Präsidenten kamen und gingen. Manche blieben vier Jahre, andere acht. Einige waren in die Geheimdienste vernarrt, andere interessierten sich nur für die aktuellsten Meinungsumfragen. In der Außenpolitik hatte Morgan besonders dilettantisch agiert, und jetzt, wo er nur noch ein paar Stunden im Amt war, wäre Maynard nicht im Traum darauf gekommen, auch nur ein Wort mehr zu sagen, als es zur Durchsetzung der Begnadigung erforderlich war.
»Warum sollte Backman sich auf einen solchen Handel einlassen?«, fragte Critz.
»Kann schon sein, dass er ablehnt«, antwortete der CIA-Direktor. »Aber er sitzt seit sechs Jahren in Einzelhaft. Dreiundzwanzig Stunden pro Tag in einer kleinen Zelle, eine Stunde in der Sonne. Duschen dreimal die Woche. Mieses Essen – er hat über fünfundzwanzig Kilo abgenommen. Wie ich hörte, geht es ihm nicht besonders gut.«
Vor zwei Monaten, nach Morgans vernichtender Niederlage, hatte Teddy Maynard damit begonnen, den Plan mit Backmans Begnadigung auszutüfteln. Er hatte einige seiner vielen Beziehungen spielen lassen und dafür gesorgt, dass Backmans Haftbedingungen sehr viel schlechter wurden. Die Temperatur in seiner Zelle wurde auf zehn Grad abgesenkt, weshalb er seit vier Wochen einen fürchterlichen Husten hatte. Sein Speiseplan, ohnehin trostlos, war noch einmal kritisch überprüft worden, und mittlerweile wurden seine Mahlzeiten kalt serviert. Die Toilettenspülung funktionierte nur in etwa fünfzig Prozent aller Fälle. Nachts wurde er immer wieder von den Wärtern geweckt, und sein Privileg, telefonieren zu dürfen, war beschnitten worden. Die juristischen Werke, die er zweimal pro Woche in der Gefängnisbücherei auszuleihen pflegte, waren plötzlich nicht mehr zugänglich. Als Anwalt kannte Backman seine Rechte, und er drohte mit allen möglichen Prozessen gegen die Haftanstalt und die Regierung, hatte aber noch keinen angestrengt. Der Kampf hatte bereits seinen Tribut gefordert. Er hatte um Schlaftabletten und ein Antidepressivum gebeten.
»Sie erwarten, dass ich Joel Backman begnadige, damit Sie seine Ermordung arrangieren können?«, fragte der Präsident.
»Genau«, antwortete Maynard. »Auch wenn wir seine Ermordung nicht im eigentlichen Sinne ›arrangieren‹.«
»Aber er wird umgebracht werden.«
»Ja.«
»Und sein Tod liegt im Interesse der nationalen Sicherheit?«
»So ist es.«
2
D ie Strafvollzugsanstalt Rudley Federal Correctional Facility hatte einen eigenen Trakt für Insassen, die in Einzelhaft untergebracht waren: vierzig identische,
Weitere Kostenlose Bücher