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Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Titel: Die beiden Seiten der Münze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Ladan
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wieder zu.
     
    Seine gute Laune wirkte ein wenig aufgesetzt und Lynn war sich nicht sicher, ob das den „berühmten Wiener Schmäh“ für Touristen repräsentieren sollte, da er aber insgesamt recht sympathisch wirkte, hoffte sie auf eine gelungene Führung.
     
    Herr Hans, so nannte sich der Reiseführer, öffnete das schmiedeeiserne Gittertor hinter dem sich alte ausgetretene Stufen in die Tiefe befanden. Nachdem er sorgfältig alle Eintrittskarten kontrolliert hatte, betätigte er einen Lichtschalter, der die Stufen erhellte und bedeutete der Gruppe, ihm zu folgen.
     
    Der Abstieg war leichter als gedacht und war auch für ältere Personen geeignet, im Tourismus ging man offensichtlich auf Nummer sicher. Lynn und Therese folgten einem Paar, offensichtlich ebenfalls Amerikaner wie der Rest der Gruppe. Die Frau kicherte etwas nervös, ihr Mann murmelte einige beruhigende Worte. Therese sah Lynn belustigt an und flüsterte: „Und? Fürchtest oder freust du dich?“ Lynn grinste und wandte sich wieder dem Guide zu, der gerade von der Pest erzählte: „Es gab so viele Tote, dass man sie nicht mehr in normalen Gräbern beerdigen konnte. Deshalb war man dazu übergegangen, die Leichen einfach in Gruben – unter anderem auch hier – zu werfen. Viele dieser Gebeine wurde erst viel später geschlichtet, manche liegen heute noch kreuz und quer herum...“ Er sprach weiter doch Lynn's Gedanken schweiften ab.
     
    Es mussten schreckliche Zeiten gewesen sein, sie stellte sich vor wie schwer es gewesen sein musste, mit dem allgegenwärtigen Tod zu konfrontiert zu sein. Soweit sie sich aus dem Geschichtsunterricht erinnern konnte, hatte die Pest über ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft. Bei allem Interesse war sie wirklich froh, dass sie in der Gegenwart und nicht in früheren Zeiten gelebt hatte. Durch das helle Licht in den Tunneln sahen die Katakomben nicht halb so unheimlich aus, wie sie vermutet hatte.
     
    Die Luft war kühl und angenehm und die Gruppe nicht groß genug, um klaustrophobische Zustände hervorzurufen.
     
    Zuerst sah man größtenteils nur die Sarkophage von Bischöfen und Kardinälen, wer hier genau lag, das wollte Lynn zu Hause nachschlagen. Sie gingen in den Gängen weiter und weiter und Lynn war beeindruckt von der Größe der Anlage. Ab und zu zweigten Gänge ab, die jedoch in den meisten Fällen durch Gittertore gesichert waren und anscheinend für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren.
     
    In Nischen und Räumen rechts und links der Gänge waren immer wieder große Mengen menschlicher Gebeine zu sehen, teilweise wie lose durcheinander geworfen, andere wiederum ordentlich geschlichtet. Die überwältigende Menge der Knochen und Schädel war enorm, man konnte nur erahnen wie viele Tote man hier zur letzten Ruhe gebettet hatte.
     
    Bisher war Lynn die Luft rein und sauber erschienen, aber je weiter sie gingen, desto modriger roch es. Auch der Boden wurde etwas uneben und sah wie gestampfter Lehm aus. Das entsprach schon eher der Umgebung, die sie hier erwartet hatte, sie beugte sich zu Therese und sagte leise: „Hast du das bemerkt? Die Luft wird irgendwie feuchter, es riecht langsam so wie in meinem Keller“. Therese war das auch aufgefallen, sie antwortete: „Ja, so wie das bei alten Gebäuden nun mal ist, auch die Wände sind jetzt nicht mehr so sauber und klinisch. Man merkt jetzt immer deutlicher, dass wie uns in uralten Gemäuern befinden.“
     
    Lynn's Orientierungssinn war so gut wie nicht existent, sie war froh, dass man diese Tour nicht ohne Führung unternehmen konnte und war nicht sicher, ob sie hier alleine wieder herausgefunden hätte. Im Großen und Ganzen war sie wirklich begeistert von den unterirdischen Gängen. Sie hörte wie der Guide ihnen mitteilte, dass sie sich nun fast am Ende ihrer Tour befanden. Lynn war fast ein wenig enttäuscht, dass das schon alles gewesen sein sollte und schaute sich noch einmal in dem tunnelartigen Gang, in dem sie sich befanden um und entdeckte eine Art Brunnen. „Was ist denn das hier?“ fragte sie Herrn Hans. „Das ist eine Art Schacht, hier geht es weiter hinunter. Es gibt mehrere Ebenen in diesen Katakomben, wir besichtigen nur die erste davon. Diese unteren Gänge sind ziemlich baufällig, manche davon ganz verfallen – leider kann man diese Teile nicht besichtigen.“
     
    Der obere Teil des Schachtes war wie ein Brunnen mit einer Ziegelmauer umgeben und an der oberen Seite durch ein Gitter versperrt. Neugierig beugten

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