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Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Titel: Die beiden Seiten der Münze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Ladan
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sich die Mitglieder der Gruppe über den Schacht. Viel zu sehen gab es nicht, da der Schacht nicht beleuchtet war, konnte man abgesehen von den obersten Ziegelreihen fast nichts erkennen.
     
    Nachdem die ersten Neugierigen weitergingen, traten auch Lynn und Therese an den Schacht. Enttäuscht drehte sich Therese wieder weg: „Schade, man kann gar nichts sehen“. Sie sah Lynn an und wollte sich der Gruppe wieder anschließen. Doch Lynn folgte ihr nicht. Sie stand einfach da und starrte in den Schacht. „Was siehst du denn da?“ wollte Therese wissen. „Habe ich etwas übersehen?“ Sie beugte sich wieder über die niedrige Ziegelmauer und spähte hinab. Lynn wollte ihr antworten, doch eine Welle der Übelkeit überflutete sie. Ihr war schwindelig und sie hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. „Was ist mit dir los?“ fragte Therese etwas unruhig, sie merkte dass etwas mit Lynn nicht stimmte. „Geht es dir nicht gut?“ Sie fasste Lynn an den Schultern und drehte sie vom Schacht weg. Lynns Pupillen waren geweitet, Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und sie zitterte. „Geht schon, tut mir leid“ war momentan alles, was sie hervorbrachte.
     
    Sie hatte das merkwürdige Gefühl, als ob ihre Kopfhaut unter schwachem elektrischen Strom stünde, es verursachte ein eigenartiges Kribbeln, das sich vom Kopf hinab bis zu ihrem Magen ausbreitete und dort für ein heftiges Gefühl von Übelkeit sorgte. Angst breitete sich in ihr aus und kroch in ihre Muskeln und Adern. Sie hatte noch nie unter Panikattacken gelitten, war sich aber sicher, dass sich das ungefähr so anfühlen musste.
     
    Therese führte sie ein Stück weiter den Gang entlang und Lynn fühlte sich besser. Ihr Magen rebellierte nicht mehr ganz so extrem und ihr Puls beruhigte sich wieder ein wenig. Therese beobachtete sie besorgt: „ Geht's wieder? Alles okay?“ Lynn nickte schwach um ihre Freundin zu beruhigen: „Ja danke, mir geht’s wieder gut.“
     
    Was in aller Welt war das denn gewesen? Lynn konnte sich ihren Zustand nicht erklären, wollte aber ihrer Freundin den Rest der Tour nicht verderben und wandte sich wieder dem Schacht zu. „Eigenartig, als ob mir von der Luft im Schacht übel geworden wäre.“ meinte sie und sah wieder kurz nach unten. So schnell wie die Übelkeit vergangen war, war sie auch wieder da. Lynn hatte wieder dieses Gefühl an ihrer Kopfhaut, drehte sich aber schnell genug wieder weg, um sich dieses Mal rechtzeitig wieder zu fangen.
     
    Um Therese nicht weiter zu beunruhigen, riss sie sich zusammen und folgte den anderen Richtung Ausgang.
     
    Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass Lynn sich über Sonnenschein freute, als die Besichtigungstour zu Ende war und sie wieder den hellen Stephansplatz betraten. Lynn schüttelte sich ein wenig und schlug Therese einen Kaffeehausbesuch vor: „Was hältst du vom Café Tirolerhof? Dort können wir uns gemütlich hinsetzen und mal ausgiebig quatschen. Ich befürchte, dass es heute schon zu spät für die Führung ins unterirdische Wien ist. Wir könnten das ein anderes Mal nachholen“.
     
    Sie war schon lange nicht mehr in ihrem Lieblingscafé gewesen. Therese war mit ihrem Vorschlag einverstanden. Lynn hängte sich in ihrem Arm ein und gemeinsam bummelten sie über die stark bevölkerte Kärntner Straße Richtung Albertina. Therese fragte mehrmals, ob Lynn es bis dorthin schaffen würde. Lynn versicherte ihr, dass das kein Problem sei, sie fühlte sich körperlich wieder wohl. Allerdings wurde sie ein leichtes Echo des vorhin aufgetretenen Angstgefühls nicht ganz los.
     
    Sie hoffte, durch den Trubel in der Fußgängerzone und die beruhigende Atmosphäre im Café würde sich das legen. Da das Wetter schön war, hatten sich viele Straßenmusikanten auf der Kärntnerstraße eingefunden, was der Wiener Innenstadt fast ein südländisches Flair verlieh. Das Café Tirolerhof war wie üblich ziemlich voll, die meisten Tische waren besetzt, doch Therese entdeckte einen freien Tisch mit Blick auf die Albertina in einer Fensternische. Beide ließen sich auf die gepolsterten Sitzbänke fallen und bestellten je eine Melange.
     
    „Trink erst mal deinen Kaffee und dann erzähl mir, was es so Neues gibt.“ forderte Therese Lynn auf. „Macht Martin noch immer Terror?“ Lynn sah auf ihr Handy und bemerkte, dass sie einen Anruf ihres Ex-Mannes verpasst hatte, da sie das Telefon in den Katakomben auf Stumm geschaltet hatte. „Anscheinend ja, er wollte mich

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