Die Bernsteinhandlerin
geschehen. Die Lage dort war â zumindest auf meinem Herweg â recht unbedenklich.«
In den engen Gassen zwischen den dicht aneinandergebauten Häusern kamen sie nicht besonders schnell voran. Ein
buntes Treiben entfaltete sich. Kurische Fischer boten ihre Waren an. An ihrer kurzen Haartracht waren sie leicht zu erkennen. Sie mussten ihre Ware über Land bringen, da sie mit ihren Booten nicht den kleinen Hafen von Memelburg verstopfen durften. Ein weiterer Grund für diese MaÃnahme lag gleichwohl auch darin, dass man stets befürchten musste, dass auf dem Seeweg nicht nur Fisch, sondern auch Bernstein transportiert wurde.
Ein letztlich vergebliches Ansinnen, wenn man die kleine Schar der Ordensritter und Halbkreuzler gegen die schiere Länge der kurländischen Küste sah â einer Küste, an der sich zudem überall leicht anlanden lieÃ. Die endlosen Strände waren wie geschaffen für den Schmuggel, und nahezu nirgendwo bildeten gefährliche, abweisende Klippen oder Untiefen natürliche Hindernisse für diesen gesetzwidrigen Handel.
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SchlieÃlich erreichten sie das äuÃere Burgtor der mächtigen Memelburg, deren Mauern schon so manchem Eroberungsversuch standgehalten hatten. Nicht jedes Feste Haus und jede Kommende des Ordens waren auch nur annähernd so ehrfurchtgebietend.
Die Ordensritter in ihren weiÃen Mänteln, mit dem schwarzen Kreuz auf der vom Betrachter aus gesehen rechten Seite, beherrschten innerhalb der Wehranlage das Bild. Um die hundert Ritter weilten dauerhaft auf der Burg und erfüllten ihre mannigfachen Aufgaben bei der Verwaltung des Landes. Dazu kamen Priesterbrüder, aus deren Reihen die Geistlichen des Ordens kamen. Neben ihren seelsorgerischen Tätigkeiten und dem Durchführen von Messen wurden sie vor allem mit Schreibarbeiten betraut, insbesondere auch mit der Listenführung zur Erhebung von Steuern und der Abrechnung der Bernsteinfunde.
Barbara folgte dem Tross bis zum Palas der Memelburg, einem mächtigen grauen Steinbau, der eine Art Burg innerhalb der Burg darstellte und somit die letzte Rückzugsmöglichkeit im Falle einer Eroberung durch fremde Streiter war.
Vor dem Eingang des Palas waren zwei Wächter postiert â Halbkreuzler vermutlich. Barbara und Erich stiegen aus den Sätteln, und Arnulf von Brindig beorderte mit einem kräftigen heiseren Ruf ein paar Stallburschen herbei, die sich um die Pferde kümmern sollten.
Als Arnulf das Misstrauen bei Erich von Belden bemerkte, verzog der Ritterbruder das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Wenn Ihr unseren Stallburschen misstraut, so mögt Ihr Euch selbst um Euren Gaul kümmern, werter Herr! Aber so weit solltet Ihr dem Orden schon vertrauen! Heilen, wehren, helfen, das ist unser Wahlspruch seit den Tagen, da unsere Ritterbrüder in Jerusalem den heiligen Kreuzzug führten.«
Widerstrebend lieà Erich es also zu, dass die Pferde weggeführt wurden. Seine Hand hatte sich um den Griff des Rapiers gelegt.
»In Acht nehmen solltet Ihr Euch in dieser Gegend vor ganz anderen Dingen«, belehrte ihn Arnulf.
Erich hob die Augenbrauen. »Und wovor zum Beispiel?«
»Vor den Blicken alter kurischer Frauen â denn die sind zum gröÃten Teil verhext, ob Ihr es nun glaubt oder nicht.«
»Ich werde mich in Acht nehmen«, beteuerte Erich mit leichtem Spott im Tonfall.
Im Anschluss daran wurden sie vor Hermann von Schlichten geführt, den Commendator der Komturei Memel.
Der Herr der Memelburg empfing sie nicht im groÃen Residenzsaal des Palas, in dem â jedem Armutsgelübde zum Trotz â auch festliche Bankette durchgeführt wurden, sondern in einem von Fackeln erhellten, aber doch düster wirkenden
runden Saal, der das oberste Stockwerk des Palas bildete und dem Komtur wohl gleichermaÃen als privater Wohnraum diente. Jedenfalls sah Barbara ein einfaches Bett und Reste einer Mahlzeit, die sich Hermann von Schlichten offenbar hatte heraufbringen lassen. An einem Hühnerknochen nagte der Burgkommandant sogar noch bei ihrem Eintreffen, ehe er ihn zu den anderen auf die Holzplatte legte und sich die Hände an der Hose abwischte.
»Commendator!«, begrüÃte Arnulf von Brindig seinen Vorgesetzten und verneigte sich dabei. »Ich melde mich nach erfülltem Auftrag zurück und â¦Â«
»Ah, ich sehe, wen Ihr mitgebracht habt, Bruder!«, wurde Arnulf gleich
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