Die Bernsteinhandlerin
gekommen!«
»Das ist bedauerlich, und Gott sei den Seelen dieser Gerechten gnädig! Doch wo er es mir gegenüber schon nicht zu sein scheint â weshalb sollte er es ihnen gegenüber sein?« Eine Bitterkeit sprach aus diesen Worten, die in der Tiefe, in der sie offenbar von Hermann empfunden wurde, selbst Barbara erschreckte.
Barbara fiel eine Reihe hölzerner Krötenstandbilder auf, die
der Komtur von Memelburg im hinteren Teil des Raums aufbewahrte. Ein paar lehnten gegen eine Truhe, andere lagen auf dem Boden. Auch Erich hatte bereits mehrfach dorthin blicken müssen â so fremd und eigenartig muteten diese hölzernen Krötenbildnisse an.
Sie hatten etwa die GröÃe eines menschlichen Torsos und waren in grellen Farben angemalt worden.
Kurische Grabtafeln!, durchfuhr es Barbara. Man konnte diese Holztafeln, die der alten krötengestaltigen Erdgöttin huldigten, überall zwischen der Nehrung und der Rigaer Bucht finden. Die Kuren waren zwar offiziell christianisiert, aber die Macht ihrer alten Götzen schienen sie ebenfalls noch immer anzurufen. Ihre Toten bestatteten sie jedenfalls auf die althergebrachte Weise, auch wenn der Orden alles nur Menschenmögliche getan hatte, um es ihnen auszutreiben.
Damit ihnen niemand Götzenverehrung nachsagen könnte, wurden die Grabtafeln zusätzlich mit deutlich sichtbaren Kreuzeszeichen versehen. Etliche Male hatte Barbara diese Tafeln schon gesehen, denen zauberische Wirkung zugeschrieben wurde. Ohnehin wurden die Kuren im Allgemeinen mit Aberglauben, heidnischer Hexerei und geheimnisvollen, unerklärlichen Kräften in Verbindung gebracht. Manchmal begegnete man mitten im Wald ganz unvermutet ausgedehnten Feldern solcher Krötenstandbilder. Und an der Beschaffenheit des Holzes war dann auch zumeist sofort erkennbar, dass diese Art des Totengedenkens nach wie vor praktiziert wurde.
»Ihr seid oft genug zwischen Livland und der Marienburg gereist, um diese heidnischen Götzenbilder zu kennen«, sagte Hermann von Schlichten, als er Barbaras erstaunten Blick bemerkte.
»Man sagt den Grabtafeln nach, dass ihnen übler Zauber innewohnt â¦Â«
»Ob er übel ist oder nicht, mögen Hexenkundige beurteilen, und zu denen zähle ich mich nicht«, schränkte Hermann ein. »Diese Heidenbilder haben unsere Ritter vor kurzem gefunden und entfernt, auf dass die einheimische Bevölkerung uns damit nicht länger auf hexerische Weise zu schaden vermag ⦠Jetzt lagern sie hier, und unsere geistlichen Ordensbrüder beraten bereits seit Tagen, was mit ihnen zu geschehen habe. Sie lediglich zu vernichten, damit ist es nicht getan, denn wer sagt uns, dass wir damit das Böse, das diese Gegenstände in sich bergen, nicht erst freisetzen!«
»Mit Verlaub, aber wird es nicht böses Blut unter den Kuren machen, wenn man ihre Grabtafeln schändet?«, fragte Barbara.
»Grabschändung? Werte Barbara, verwendet nicht dieses Wort für unseren Kampf gegen die Reste des Heidentums! Es mögen Tote unter den Pflöcken dieser Krötengötzen liegen, das heiÃt dennoch nicht, dass wir von Gräbern in einem christlichen Sinne sprechen können.« Hermann hielt sich plötzlich den Leib, und sein Gesicht wurde aschfahl. Er krümmte sich leicht und presste die Lippen aufeinander. Dann wankte er zu seinem Stuhl und lieà sich darauf nieder. Es dauerte einige Augenblicke, ehe er sich wieder gefasst hatte.
»Mein Commendator, man sollte dieses Teufelszeug von hier fortschaffen!«, meldete sich nun Arnulf von Brindig zu Wort.
»Sobald die gelehrten Brüder ihre Entscheidung getroffen haben, wie damit zu verfahren ist, werde ich Euch gerne diese Aufgabe überlassen. Aber bis dahin bleiben diese Bildnisse des Krötendämons hier.«
»Und wenn das Böse, das ihnen innewohnt, Euch schadet?«, konnte Arnulf seine Besorgnis einfach nicht unterdrücken.
Hermann von Schlichten lachte heiser. »Wie um alles in der Welt sollte mir wohl noch geschadet werden? Meinen vollständigen
Ablass habe ich erhalten, den habe ich mit Brief und Siegel! Im Ãbrigen kann mir in dieser Welt nichts mehr schaden, als es schon die Mahlzeiten tun, die man mir bringt. Und nun entschuldigt mich und überlasst mich meiner Unpässlichkeit â¦Â«
Â
Nachdem sie alle den Commendator sich selbst überlassen hatten, war es Arnulf von Brindig persönlich, der Barbara
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