Die Beschleunigung der Angst
umgeknickt, konnte sich jedoch abfangen. Daniel bückte sich und hob das
Holz vom Waldboden auf. Er schien ein Stück ehemaligen Zaunes in der Hand zu halten,
viereckig und so lang wie ein Baseballschläger, wenn auch nicht so schwer. Doch
das Beste waren die drei Nägel, die in Abständen von wenigen Zentimetern aus
dem oberen Ende des Stocks ragten. Zum Glück war er nicht in die rostigen
Metallstifte hineingetreten.
Er hatte eine Waffe
gefunden.
Bei Gott, wie sehr er
hoffte, sie nicht benutzen zu müssen.
Thomas schlüpfte auf den
Vordersitz. Daniel hatte den Schlüssel steckenlassen, und so startete er den
Motor. Der Waldweg war zu schmal, als dass er hätte drehen können, und so
verhakte er den rechten Arm hinter dem Beifahrersitz, drehte den Kopf und
setzte zurück. Auf der Hinfahrt hatte Thomas kein Licht einschalten wollen, um
seinen Freund und die entführte Frau nicht dadurch zu gefährden, dass sie entdeckt
wurden. Und auch jetzt versuchte er, sich ohne Scheinwerfer den Weg durch
zugewachsenes Gelände zu bahnen. Er musste jedoch einsehen, dass das nicht
seine beste Idee war, als er vom holprigen Weg abkam und mit der Stoßstange
einen Baumstamm streifte. Mist! Daniel würde stocksauer sein!
Er schaltete das Standlicht
ein. Das war nicht wirklich gut, aber doch eine deutliche Verbesserung. Und bis
zur Villa würde man es mit Sicherheit nicht sehen können.
An einer Abzweigung, die
nicht breiter war als das Auto, wendete er und konnte endlich geradeaus fahren.
Doch auch so gestaltete sich die Fahrt schwieriger als gedacht. Er war froh,
dass er sich durchgesetzt hatte und den Weg zur Polizei auf sich nahm. Nicht,
weil er dadurch der Villa und dem Irren dort drin den Rücken kehren konnte
(obwohl das auch eine Rolle spielte), sondern weil er tatsächlich der bessere
Fahrer war. Daniel fuhr Auto, wie es seinem Naturell entsprach. Langsam,
vorausschauend und bedächtig. Das waren durchaus Eigenschaften, die Thomas an seinem
Freund schätzte, doch in der jetzigen Situation waren andere Wesenszüge
gefragt.
Nur durch blasses Mondlicht
beschienen, wirkte der Wald ganz anders als auf der Hinfahrt. Thomas musste
tief in seinen Erinnerungen kramen, um den richtigen Weg hinaus und auf die
Landstraße zu finden. Dies beanspruchte einen großen Teil seiner Konzentration,
und so rumpelte er durch Schlaglöcher, die seinen Kopf mehrmals an den
Wagenhimmel stoßen ließen.
Im Unterholz an den
Wegrändern leuchteten in unregelmäßigen Abständen die funkelnden
Goldmünzenaugen der Waldbewohner auf. Füchse und Eber, Rehe und Kitze
flankierten seinen Weg, erbost über sein Eindringen in ihre Privatsphäre. Zum
Glück lief ihm keines der Tiere ins Auto.
Die Bäume wichen zurück, als
er die Landstraße erreichte. Das graue, von einem weißen Streifen durchzogene
Band erschien ihm wie eine Befreiung, und er fühlte sich, als könne er das
erste Mal, seit er und Daniel die Verfolgung aufgenommen hatten, wieder frei
durchatmen.
Thomas bog rechts auf die
Straße ein und beschleunigte. Weit und breit war kein anderes Fahrzeug zu
sehen. Er jagte die blau beleuchtete Tachonadel auf einhundertzwanzig und
schnitt eine langgezogene Linkskurve. Wie auf Schienen lag der Wagen auf der
Straße. Wenn er so weiterfuhr, konnte er in einer Viertelstunde bei der Polizei
ankommen. Er war gespannt, was sie zu einem schlagenden und Frauen entführenden
Irren, der seine Finger nicht von seinem Schwanz lassen konnte, zu sagen
hatten.
Die Rechtskurve nahm er so
eng, wie es ein Rennfahrer nicht besser hätte machen können. Genau zum
richtigen Zeitpunkt beschleunigte er aus dem Scheitelpunkt und fuhr bereits auf
die nächste Wegkrümmung zu.
Den Unfall, der gerade erst
vor ein paar Minuten stattgefunden haben musste, sah er rechtzeitig. Die Warnleuchten
beider Autos blinkten ihre Warnung gut sichtbar in die Dunkelheit. Es hätte für
Thomas kein Problem dargestellt, abzubremsen oder die zwei ineinander
verkeilten Fahrzeuge zu umfahren. Doch dem Ölfilm, der sich wie ein finsterer
Teppich über die Landstraße ausbreitete, sich auf das Gummi und in das Profil
der Reifen schmiegte und den Asphalt glatter werden ließ als eine
durchschnittliche Eisbahn, konnte er nicht ausweichen. Er verlor die Kontrolle
über das Auto. Der Wagen drehte sich um die eigene Achse und rutschte von der
Straße wie eine mit Staub verdreckte Abtastnadel von einer Schallplatte. Er
fühlte sich schwerelos, als er einen Graben überflog, der Tiere davon
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