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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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ein Stück Holz zu finden, das sich als
Schlagwaffe einsetzen ließ.
    Er umrundete den
umgestürzten Baum und stieg die Stufen zur Haustür hinauf, darauf achtend, kein
Geräusch von sich zu geben. Von innerhalb des Hauses war nichts zu hören.
Daniel wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
    Thomas und er hatten in
grauer Vorzeit nicht nur die Villa auf der Suche nach Abenteuern und dem einen
oder anderen seltenen Fundstück durchsucht. Sie hatten auch öfter Gebrauch von
der Möglichkeit gemacht, ungestört zu rauchen und dem Alkohol zuzusprechen. Zu
der Gelegenheit hatten sie auch den Stallungen an der Westseite des Anwesens
einen Besuch abgestattet. Schon damals waren die Viehunterkünfte abbruchreife,
von Wind und Wetter zerfressene Holzbauten gewesen, die noch baufälliger
gewirkt hatten als das Haupthaus. Daniel beschloss, nachzusehen, ob er dort
etwas finden konnte, das sich zur Selbstverteidigung eignete.
    Die Stallungen befanden sich
längsseits der Villa. Er schlich sich zur Hausecke und überprüfte, ob man ihn
würde sehen können, sollte er den kürzesten Weg zu den ehemaligen
Viehbehausungen wählen. Mehrere Fenster, in denen sich milchiges Mondlicht
spiegelte, zeigten auf die freie Fläche zwischen Haus und Ställen. Daniel
wunderte sich, dass einige Scheiben noch intakt waren. Wie es aussah, war der
Ort hier tatsächlich in Vergessenheit geraten und lockte nicht mal mehr
Jugendliche hierher, die nach Herzenslust über die Stränge schlagen wollten.
    Daniel würde sich von
Schatten zu Schatten voranarbeiten und Schutz hinter Büschen und Bäumen suchen
müssen, wollte er vom Haus nicht zu sehen sein. Es gehörte zwar mehr als ein
wenig Pech dazu, dass jemand aus einem der Fenster blickte, während er als dunkler
Schemen über den Hof lief, doch heute hatten bereits einige Menschen ziemliches
Pech gehabt.
    So nutzte er die sich
bietenden Sträucher und tiefhängenden Äste und ging in einem weiten Bogen auf
die Westseite des Grundstücks. Seine Befürchtungen über den Zustand der
Stallungen sollten sich bestätigen. Sie waren wenig mehr als vereinzelt
aufragende Holzlatten, die dachlos wie ein verfaultes Gebiss in die Höhe
ragten. Trotzdem passierte er eine Öffnung, die früher eine Tür dargestellt
haben musste, und trat ins Innere der Stallruine.
    Der aufsteigende Mond schien
ihm den Weg. Daniel betrachtete den Stall und sah eine ehemalige
Pferdeunterkunft, die die Natur sich zurückeroberte. Überall war das Fundament
aufgerissen und Unkraut hatte sich seinen Weg durch bröckelnden Beton an die
Oberfläche gesucht. Große Teile der Wände fehlten und gaben den Blick auf den
Wald frei.
    Der Wind frischte auf und
gab ein klagendes Heulen von sich, als er sich an den Kanten der Holzlatten
rieb. Daniel fröstelte. Warum zum Teufel hatte er sich nicht wenigstens noch
eine Jacke übergeworfen?
    Hier, im tiefsten Wald des
Hochtaunuskreises, mussten sich die Geräusche der Zivilisation sowieso auf ein
Minimum beschränken. Vielleicht war mal ein vorüberziehendes Flugzeug, das auf
dem Frankfurter Flughafen gestartet war, zu hören. Oder Forstarbeiter, die ein
Waldstück in der Nähe bearbeiteten. Ein Rettungshubschrauber auf dem Weg in die
Unfallklinik.
    Doch jetzt war keiner dieser
Laute zu vernehmen. Im Gegenteil schien sich die Natur nicht nur die greifbare,
sondern auch die akustische Welt zurückzuerobern. Außerhalb der verfaulten
Holzplanken raschelte ein Tier in den Büschen, Grillen rieben ihre Beine
aneinander, Eulen riefen, Blätter wogten im Wind und flüsterten sich
Geschichten zu.
    Hätte Daniel nicht gewusst,
dass ein Irrer mit einer jungen hübschen Frau in der Villa war, und ihr sehr
wahrscheinlich schlimme Dinge antat, hätte es hier idyllisch sein können. Ein
Platz, an den man mit seiner Freundin geht, um einen romantischen Abend zu verleben.
    Er ging den Grundriss des
zerstörten Gebäudes ab. Er fand nichts, was er als Waffe hätte benutzen können.
Er trat durch ein zerfallenes Stück Wand wieder auf den Hof hinaus, wobei er
darauf achtete, dass er vom Haus nicht zu sehen war. Zwei Fledermäuse zogen
über seinen Kopf, vollführten waghalsige Flugmanöver, eins mit sich und in
vollem Einklang mit ihrer Umwelt. Er würde nie verstehen, wie sich diese Tiere
derart schnell und sicher bewegen konnten, ohne etwas sehen zu können, Radar
hin oder her.
    Er ging zur hinteren, dem
Haus abgewandten Seite der Scheune. Er trat auf ein Stück Holz und wäre um ein
Haar

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