Die Beschützerin
Fingern. Ich krümmte mich zusammen, tauchte unter dem GroÃsegel durch auf die andere Seite des Decks. Sie stach auf das Tuch ein, zerfetzte und zerriss es. Dann folgte sie mir, kriechend, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Bleib hier! Du hast keine Chance«, schrie sie.
Ihr Kopf war auf der Höhe des GroÃbaums, als eine Windböe das Schiff auf die Seite legte und das massive Holzstück herumschwingen lieÃ. Es prallte mit den eisernen Beschlägen gegen ihre Schläfe. Sie sackte zusammen. Ich verharrte auf der anderen Bootsseite, beobachtete sie. Sie bewegte sich nicht, nur der Wind zerrte an ihren Haaren. Ich hielt den Atem an, kletterte zu ihr und nahm ihr das Messer weg. Sie leistete keinen Widerstand, schien mich nicht mehr wahrzunehmen. Ihre Augenlider flatterten, die Augäpfel irrten umher. Sie war wehrlos. Aber wie lange noch? Ich musste etwas tun. Wenn sie zu sich kam, würde sie mich töten. Ich musste mich wehren, solange es ging. Ich musste es tun ⦠sofort!
Ich hob das Messer. Ihr Blick wurde ganz ruhig. Sie sah mich an.
Stoà zu. Töte sie.
Doch mein Arm zitterte, Tränen trübten meinen Blick. Stoà das Messer in ihren Bauch. Unter den Rippen. Tu es! Jetzt!
Sie schloss die Augen.
Mein Arm gehorchte mir nicht. Meine Finger waren kraftlos, lieÃen das Messer fallen. Es prallte auf das Deck. Ich starrte sie an. Ihr Gesicht sah friedlich aus, als würde sie schlafen. Mein Verstand hämmerte weitere Befehle, die mein Körper nicht ausführte. Nimm das Messer. Stich zu!
Ich trat mit dem Fuà nach dem Messer, es schlitterte ein Stück Richtung Heck. Ich kletterte hinterher, löste das Fall, zog das GroÃsegel herunter, das Vanessa Ott zerfetzt hatte, und versuchte dann, das Vorsegel festzuziehen, um mit dem Wind Fahrt aufzunehmen. Weg hier. In den Hafen.
Etwas klemmte auf dem Vorschiff, ich konnte das Segel nicht spannen. Ich schrie auf. So ein Mist. Ausgerechnet jetzt.
Ein Geräusch wie ein Keuchen. Ich fuhr herum. Aber Vanessa Ott lag noch so da, wie ich sie verlassen hatte. Auf allen vieren kroch ich an ihr vorbei zum Bug. Eine der Schoten hatte sich an einer Klampe verhakt und verknotet. Mit steifen Fingern versuchte ich, das Tau zu lösen. Es saà zu fest. Ich musste es schaffen. Ich zerrte daran herum, wimmerte vor Angst.
Ein Schmerz, wie ich ihn noch nie gespürt hatte, durchbohrte meinen Rücken. Ich fiel nach vorn auf den Bauch. Ich versuchte, den Kopf zu wenden. Was tat sie? Aus dem Augenwinkel sah ich sie, sie stand über mir, ohne sich festzuhalten, in ihrer Hand blitzte das Messer. Ich drehte mich auf den Rücken, der gellende Schmerz in der Wunde nahm mir den Atem. Ich schützte mich mit den Armen. Sie stach wieder zu, traf mich über dem Ellbogen. Sie griff mit ihren eiskalten Fingern nach meinem Handgelenk und zerrte daran, beugte sich herunter, zielte auf meine Brust. Ich warf mich zur Seite, die Klinge durchbohrte meine Schulter. Sie zog sie heraus. Wir schrien beide, ich konnte meine Stimme kaum von ihrer unterscheiden.
Meine Kraft lieà nach. Vanessa Ott hob wieder den Arm, Blut tropfte von der Messerklinge. Mein Blut. Mit letzter Kraft winkelte ich die Knie an und trat mit beiden FüÃen gegen ihre Beine. Sie taumelte rückwärts zur Bootskante. Und im nächsten Augenblick war sie einfach weg.
Ich riss die Augen auf. Ãber Bord. Im Wasser.
Ich lauschte, in meinen Ohren rauschte es. Mein eigenes Blut. In meinem Rücken sickerte etwas warm und feucht. Ich stellte mir vor, wie mein Blut über die Holzplanken lief und in den Ritzen des Bootes verschwand. Meine Augenlider wurden schwer. Nein! Bleib wach! Wo ist sie? Kommt sie zurück?
Doch meine Augen fielen zu. Ich war so müde ⦠Es wurde dunkel. Und kalt ⦠so kalt â¦
Die Körper im Wasser schimmerten grün. Frauenkörper, schlank und voll Anmut. Sie sanken in die Tiefe. Ihr langes Haar wehte wie feine Korallenarme. Zu einer Musik, sanft wie das Zerplatzen von Luftblasen, tanzten sie. After the rain comes sun, after the sun comes rain again ⦠Bilder und Töne schwebten durch meinen Kopf. Dazwischen eine Stimme. Laut und energisch. Ich verstand sie nicht. Das Wasser leuchtete wie ein Opal. Ich sank in das flirrende Grün. Etwas zog an mir, zog mich nach oben â¦
»Janne! Janne! Ich glaube, sie kommt zu sich.«
Ich blinzelte. Da war jemand. Direkt über mir.
»Janne! Hörst du
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