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Die beste Welt: Roman (German Edition)

Die beste Welt: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Lord
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verspürte er nach einer langen Morgenmeditation Durst und wollte sich aus seiner Proviantkiste neues Wasser holen. Er ging mit der gläsernen Trinkschale in der Hand vor die Tür, stellte die Schale auf den Rand der Kiste, öffnete die eine Hälfte des Deckels und hob den schweren Krug mit dem engen Hals heraus. Mit ruhiger Hand goss er Wasser in die Schale, ohne zu verschütten, richtete sich langsam auf und verharrte einen Moment lang, den Krug neben sich auf dem Boden, in seliger Muße. Er schaute mit schmalen Augen auf den Wüstenstrand, der in der grellen Sonne lag, und spürte, wie die Kühle des Wassers von der Schale in seine Hände drang, versagte es sich aber noch zu trinken. Eigentlich war es kindisch, eine Schale mit Wasser in Händen zu halten und mit selbstquälerischer Lust darauf zu warten, dass der Durst immer stärker wurde, doch manchmal gestattete er sich dieses Spiel.
    Er setzte die Schale an die Lippen und hatte, ein vollkommener Moment, zugleich das blassblaue Meer, das leuchtend blaue Glas und das klare Wasser vor Augen, dann blinzelte er, nahm einen kleinen Schluck und ließ ihn durch seine Kehle rinnen.
    Im Rückblick erinnerte er sich noch oft an diesen intensiv erlebten Augenblick – die sauber getrennten Farben, die angenehme Kühle des Glases – und wäre nur zu gerne dort verharrt. Denn nicht lange, gar nicht lange danach zerfiel dieser Tag in ein grauenhaftes Chaos.
    Ein Mann entstieg dem Ozean, sein dunkles Haar, nass vom Meerwasser, glänzte in der Sonne. Er trug einen Pilotenanzug – schillernd, glatt und wasserdurchlässig –, der im heißen Wind so schnell trocknen würde wie die bloße Haut, doch die langen Haare nahm er auf dem Weg zum Strand mit beiden Händen zusammen, wrang sie aus und befestigte sie mit einem Band, das er ums Handgelenk trug, oben auf dem Kopf.
    Dllenahkh begriff erst allmählich, was er da sah. Anfangs war die Gestalt nur irgendein Pilot gewesen; als sie sich in Bewegung setzte, wurde sie zu einem bekannten Piloten; und als sie sich obendrein an ihren Haaren zu schaffen machte, war es Naraldi – ein Mann, der ihm nahestand, aber nicht so nahe, dass er das Recht gehabt hätte, ihn vorzeitig aus einer Klausur zu holen. Er setzte zu einer Rüge an. Sechs Tage noch, Naraldi! Was kann so wichtig sein, dass du nicht noch sechs Tage warten konntest? Das wollte er sagen, doch dann kam ihm ein anderer Gedanke dazwischen. Ein Mentalschiff, das so nahe am Land wasserte, dass der Pilot ans Ufer schwimmen konnte, war selbst auf einem so kleinen Planeten ohne Andockstation im Orbit äußerst ungewöhnlich. Und obwohl er Naraldi gut kannte, war ihr Verhältnis nicht so eng, dass es einen Besuch zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort gerechtfertigt hätte.
    Der Pilot wurde langsamer und sah ihn unsicher an. Seine Augen waren vom Salzwasser gerötet und tränten.
    »Es ist etwas Schlimmes passiert«, stellte Dllenahkh schlicht fest.
    Naraldi wischte sich über das nasse Gesicht, antwortete aber nicht.
    »Meine Mutter?«, fragte Dllenahkh, um das Schweigen zu brechen. Die Angst verwandelte seinen Magen in einen kalten, schweren Stein.
    »Ja, deine Mutter«, stieß Naraldi schroff hervor. »Deine Mutter, meine Mutter und … alle anderen. Unsere Heimat ist nicht mehr. Unsere Welt wurde …«
    »Nein.« Dllenahkh schüttelte den Kopf, eher ungläubig als entsetzt über die Verbitterung in Naraldis hastigen Worten. »Was redest du da?«
    Ihm wurde bewusst, dass er immer noch durstig war, und er wollte die Schale noch einmal an die Lippen setzen, doch in der Zwischenzeit waren seine Hände durch die Kälte gefühllos geworden. Die Schale entglitt ihm. Er wollte danach greifen, doch seine Hand ging fehl, die Schale prallte hart gegen den Wasserkrug und zerbrach, sodass seine zupackenden Finger sich um eine Scherbe schlossen.
    »Oh!« Das war alles, was er sagte. Der Schnitt war so glatt, dass er nichts spürte. »Entschuldige. Lass mich schnell …« Er bückte sich, um die größeren Scherben aufzusammeln, doch dabei kippte er zur Seite und fing sich gerade noch mit einem Knie ab.
    Naraldi rannte auf Dllenahkh zu, packte seine blutende Rechte, riss sich das Band aus dem Haar und schloss Dllenahkhs Finger um das Stoffknäuel. »Fest drücken«, befahl er, griff nach Dllenahkhs linker Hand und legte sie um das rechte Handgelenk. »Nicht loslassen. Ich hole Hilfe.«
    Er rannte über den Strand auf den Tempel zu. Dllenahkh ließ sich vorsichtig nieder, ohne den Scherben zu nahe

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