Die Beste Zum Schluss
ausprobiert wurden, die beziehungsunfähig machen. Das wäre zumindest eine Erklärung, die hübsch bequem wäre. Die unbequeme wäre die, dass wir beide einfach zu blöd sind. Daran glauben wir beide nicht. Also, das verdammte Militär mal wieder.
Die Nacht wird kühler. Ich hole ein paar Decken raus, dann sitzen wir eingemummelt auf den Holzkisten, mit den Füßen auf der Balkonbrüstung. Ein Schweigen guckt vorbei, fühlt sich wohl und macht sich breit. Renes Kopf lehnt an meiner Schulter. Seit Minuten hat niemand mehr was gesagt. Ich spüre ein leichtes Lächeln in meinem Gesicht. Freundschaft. Es schlägt alles. Auch die Liebe. Freundschaft ist größer. Weil es beides ist. Liebe dagegen ist manchmal nicht mal freundlich.
»Bleibst du heute hier?«
»Klar«, sagt sie und stupst mich leicht mit ihrem Kopf an. »Lass uns wieder Freunde sein, ja?«
»Ja.«
»Ich meine es ernst. Lass uns eine Front bilden. Lass uns Feuer und Verderbnis über die Arschlöcher bringen. Lass uns zusammenhalten und jedem in den Arsch treten, der einem von uns wehtut.«
»Okay.«
Sie nickt ernst, dann lehnt sie sich wieder an meine Schulter und schaut über die Dächer. Das Schweigen nimmt erneut Raum ein. Ich rauche eine und versuche, mir den Moment zu merken. Renes Atem wird schwer und gleichmäßig. Gott, fühle ich mich gut.
Hinter den Bäumen und Hausdächern wird der Horizont langsam heller. Das graue Licht wird nach und nach farbiger und wirft Leben auf die Stadt. Das Morgenlicht ist wirklich schön. Und müde sein. Und nicht alleine sein, das ist das Schönste. Ich schließe die Augen und lausche auf das Atmen eines anderen Menschen, der noch da sein wird, wenn ich wieder die Augen öffne. Endlich wieder gerne aufwachen.
Etwas zieht mich an der Nase. Ich öffne ein Auge und kneife es gegen das Licht zusammen, das durch das Schlafzimmerfenster hereinfällt. Renes Gesicht hängt vor mir in der Luft. In dem Morgenlicht schimmern ihre Augen. Sie sieht hellwach aus und trägt meinen Bademantel.
»Du bist ja immer noch so ’ne Schlafnase«, sagt sie und drückt mir eine heiße Tasse in die Hand, die nach Kaffee duftet. »Was hast du eigentlich mit den leer stehenden Zimmern vor?«
»Weiß nicht«, sage ich und probiere den Kaffee. Hm. Sie kann immer noch keinen guten Kaffee kochen. »Wieso?«
»Das wäre perfekt für uns, für den Übergang. Es hat ja sogar ein eigenes Bad. Von hier aus wäre die Wohnungssuche wesentlich leichter.«
»Hm«, mache ich und nehme noch einen Schluck. »Solche Entscheidungen sollte man gründlich überlegen. Der Ersatzschlüssel hängt neben der Haustür.«
Sie grinst breit.
»Sicher?«
»Gestern hing er noch da.«
»Und was kostet mich die Sache?«
Ich sage ihr, was ich zahle, und ernte einen ungläubigen Blick, was in Köln normal ist, wenn man erzählt, was man an Miete zahlt. Ich erkläre ihr, dass ich fest angestellter Redakteur bei einem Frauenmagazin bin, weil Isa darauf bestand, mir einen Job zu besorgen, in dem ich genug verdiene, um mit ihr dreimal im Jahr in Urlaub zu fliegen. Ich erkläre ihr auch, dass ich lieber auf zwei Urlaube verzichte, als sie hier wieder rausmarschieren zu lassen. Wenn sie nicht einzieht, müsste ich ja auch die Wohnung alleine bezahlen. Dennoch mustert sie mich unschlüssig.
»Hast du schon mal mit einem Baby zusammengelebt?«
»Noch nicht.«
»Es kann die Hölle sein. Sie schreien, kacken und werden krank, und das meistens im falschen Augenblick. Vergiss Schlafen, ins Kino gehen, Freunde treffen. Außerdem werde ich noch ein Baby bekommen. Noch mehr Kacken und Schreien, und es gibt keinen Vater, der mich entlastet. Ich werde also gestresst und launisch und übermüdet sein, und es kann eine Weile dauern, bis ich beruflich so belastbar bin, dass ich die volle Miete aufbringen kann.«
Sie versucht, mir Angst zu machen. Wie erkläre ich ihr, dass nichts schlimmer sein kann als die letzten Wochen? Seit drei Jahren habe ich keine Medikamente mehr genommen, doch am Kühlschrank hängt ein Rezept, das ich mir vorgestern vom Arzt geben ließ. Damals, nach dem Unfall, verschrieben die Ärzte mir Antidepressiva und versprachen mir, dass ich mich bald wieder normalisieren würde. Aber ich konnte mich nicht normalisieren, denn meine alte Normalität war zerstört und meine neue bestand aus schmerzlichen Erinnerungen. Ich nahm immer mehr Tabletten, bis ich mir schließlich eingestand, dass ich süchtig war. Ich ging auf Entzug, doch es dauerte zwei Jahre,
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