Die Beste Zum Schluss
bevor ich morgens aufwachen konnte, ohne an Tabletten zu denken. Seitdem habe ich nie wieder verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen, und alles, was mich davor bewahrt, dieses Rezept einzulösen, ist unbezahlbar.
»Versuchen wir es doch einfach eine Zeit lang.« Ich stelle die Tasse auf den Nachttisch und ziehe mir die erste Zigarette des Tages aus der Schachtel. »Wenn’s nicht klappt, kannst du immer noch weitersuchen.«
»Unter einer Bedingung«, sagt sie.
»Ich weiß«, grinse ich und stecke mir die Kippe zwischen die Lippen. »Kommt mir sehr entgegen.«
»Keine Zigaretten.«
Wir mustern uns einen Augenblick, dann nehme ich mir die Zigarette aus dem Mund.
»Wollte eh aufhören.«
Nach einem Augenblick streckt sie die Hand aus und lächelt. Ich schlage ein. Und schon wohne ich nicht mehr alleine, und meine größte Angst löst sich in Luft auf. Wie einfach das Leben manchmal sein kann. Ich habe wieder einen Menschen in meinem Leben, dem ich vertraue.
Wir lächeln uns an, und Zuversicht breitet sich in mir aus, dass nun das Schlimmste vorbei ist. Zum ersten Mal seit Langem freue ich mich auf die Zukunft.
5 Jahre später …
Atemnot. Ich öffne ein Auge. Auf mir liegt eine Sechsjährige im Blümchenpyjama. Sie muss heute Nacht rübergekommen sein. Vielleicht ein Albtraum. Als sie klein war, haben wir sie manchmal zum Einschlafen auf meinen Bauch gelegt, seitdem kommt sie phasenweise vorbei. Ich schiele zum Wecker. Kurz vor sieben. Für einen Moment will ich wieder die Augen schließen, dann fällt mir ein, welcher Tag heute ist. Mist.
»Aufwachen, Süße.«
Sie bewegt sich nicht. Ich halte ihre Nase zu. Ihre Augenlider zucken, aber sie bleibt regungslos liegen und atmet durch den Mund.
»Weißt du eigentlich, wie schwer du bist?«
Sogar in diesem Alter ignorieren Frauen solche Kommentare, also drehe ich mich zur Seite. Lola rutscht auf die Matratze, greift nach der Decke und windet sich zwischen die Laken. Ich steige aus dem Bett und bleibe einen Augenblick stehen, um sie mir anzusehen. Wenn es eines Tages Zeitreisen gibt, wird das mein erster Ausflug. Als Kind, halb schlafend im Bett liegen bleiben, während meine Eltern aufstehen. Einfach vor sich hinträumen und mit einem Ohr zuhören, wie das Frühstück zubereitet und der Tag begonnen wird, bis mich irgendwann jemand ruft … Was das angeht, war früher wirklich alles besser.
In der Küche empfängt mich fahles Morgenlicht. Am Küchentisch sitzt ein Fünfjähriger in Unterhose und lässt ein quiekendes Meerschwein auf dem Tisch herumlaufen.
»Schwein vom Tisch.«
Oscar dreht überrascht den Kopf. Ich bleibe schlagartig stehen.
»Was zum Henker …«, ich schaue mich um. »Wo zum Teufel ist mein Kaffee?«
»Du warst ja nicht wach!«, sagt er empört und nimmt das protestierende Tier in die Arme.
»Aber jetzt bin ich wach, also Kaffee her und weck deine Mutter. Und Zähne putzen. «
»Manno«, nölt er, während sein Blick an mir herunterwandert. »Wieso heißt es Meerschwein? Susi ist ein Mädchen, das muss doch Sau heißen.«
» Kaffee …«, stöhne ich und verziehe mich ins Bad.
Während ich dusche, höre ich ihn in die andere Wohnungshälfte flitzen und rumschreien, bis seine Mutter wach wird und ihn anschnauzt, dass er aufhören soll, so einen Lärm zu machen. Darauf folgt noch lauteres Geschrei.
Als ich aus der Dusche steige, fliegt die Badezimmertür auf, und Rene kommt im Morgenmantel hereingeschlurft. Ihr Gesicht ist vom Schlaf verquollen, und ihre blonden Struppelhaare stehen in alle Richtungen. Sie lässt den Mantel zu Boden fallen, drängt sich an mir vorbei und verschwindet in meiner Duschkabine, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Vielleicht der Beweis, dass es doch eine platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau geben kann. Vielleicht sollte ich bloß öfter ins Fitnessstudio gehen.
»Dein Sohn interessiert sich übrigens mehr für meinen Körper als du«, erkläre ich dem Duschvorhang.
Nichts.
»Wird er halt schwul«, lege ich nach. »Was soll’s, dann müssen die Enkelkinder eben adoptiert werden.«
Keine Antwort. Obwohl das weibliche Sprachzentrum um elf Prozent aktiver ist als das männliche, liegt Rene morgens mit achtzig Prozent im Rückstand. Die Differenz holt sie nachher im Büro auf.
Ich bin fast glatt rasiert, als das Wasser zugedreht und der Vorhang zur Seite gezogen wird. Sie streckt die Hand aus.
»Was ist mit deiner Dusche?«, frage ich und reiche ihr ein
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