Die Beste Zum Schluss
Handtuch.
»Kaputt. Ich rufe einen Handwerker«, murmelt sie, und wir beide wissen, dass sie es vergessen wird und so lange bei mir duschen wird, bis ich einen rufe.
Sie stellt einen Fuß auf die Badewannenkante, beugt sich vor und trocknet ihre Füße ab. Muskeln und Sehnen spielen unter ihrer Haut. Der Freiberuflerstress hat sie gnadenloser abgekocht als jede Schlankheitskur. Die neue Superdiät: Mutter und selbstständig.
»Glotz nicht so, Perverso.«
»He, das ist mein Badezimmer.«
Sie richtet sich auf und trocknet ihren Oberkörper ab.
»Kein Grund, mich … autsch.« Sie lässt das Handtuch sinken, fasst sich an die linke Brust und zieht eine Grimasse. »Ich glaube, ich kriege einen blauen Fleck. Oscar hat sich voll auf mich draufgeworfen … «
»Ist nur fair. Deine Tochter klebte die halbe Nacht an mir.«
»Was ist daran fair?« Sie beginnt sich wieder abzutrocknen. »Lola will bloß schmusen, aber Oscar … Woran liegt es nur, dass Jungs immer so grob sind?«
Ich antworte nicht, denn sie kennt die Fakten. In Oscars Alter wird das männliche Gehirn permanent mit Testosteron überschwemmt, und zu viel davon tötet Gehirnschaltkreise für emotionale und soziale Sensibilität ab.
Rene wickelt sich in das Handtuch, lehnt sich vor zum Spiegel und untersucht ihre Nase.
»Du glotzt wieder.«
»Das ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Wir wissen eine nackte Frau auch dann zu würdigen, wenn wir mit ihr befreundet sind.«
»Glotzen ist nicht Würdigen.«
Bevor mir dazu etwas einfällt, hat sie das Bad verlassen. So sind sie, die Pressefrauen: verbal zu schnell für diese Welt.
Als ich in ein Handtuch gewickelt aus dem Bad komme, sitzt eine moderne Familie am Küchentisch und frühstückt, sprich: ein abwesender Vater, eine gestresste Alleinerziehende und zwei Trennungskinder. Rene liest die Süddeutsche Zeitung, Oscar versucht, an einem Käsebrötchen zu ersticken, und Lola hängt über ihrem Müsli wie eine Grippekranke über einem Erkältungsbad.
»Morgen, Hübsche«, sage ich und küsse sie auf den Scheitel. »Hast du gut geschlafen? War ich bequem?«
Sie ignoriert mich und löffelt weiter Müsli.
»Aha«, sage ich und schnappe mir die dampfende Tasse, die vor meinem Platz steht. Ich probiere einen Schluck und nicke Oscar anerkennend zu. »Hmm, der ist gut.«
Er kaut, Rene liest, Lola schlürft. Keiner sagt was.
»Ist das so ein Wer-zuerst-spricht-hat-verloren-Ding? Dann macht mal ’ne Ausnahme, immerhin seid ihr hier in meiner Küche, da kann man auch mal Konservation machen.« Ich warte einen Augenblick. Niemand verbessert mich. Ich beuge mich vor und schaue Rene ins Gesicht. »Ich habe gestern eine tolle Nacht gehabt. Frag mich doch mal, wie toll.«
Sie liest weiter. Oscar schluckt einen Brocken runter und mustert mich neugierig.
»Was hast du denn gemacht?«
»Frag deine Mutter. Sie hat so etwas auch gemacht. Vor langer, langer Zeit.«
Er kichert. Er weiß nicht genau, worüber wir reden, aber er weiß, dass es so ein Erwachsenending ist.
»Mama? Was hast du gemacht?«
Rene lässt die Zeitung sinken und schaut mich genervt an. Ich wackele mit den Augenbrauen und verschwinde ins Schlafzimmer. Ich ziehe gerade meinen schwarzen Anzug aus dem Schrank, als sie hereinkommt und sich gegen den Kleiderschrank lehnt.
»Du bist was trinken gegangen und hast eine tolle Frau kennengelernt, aber dann hast du Schiss bekommen, weil sie ja toll war, also hast du sie stehen lassen und bist weitergezogen, um dir eine Frau zu suchen, die nicht so toll ist. Aber das macht ja auch keinen Sinn, also bist du schließlich besoffen nach Hause gewankt, und worauf bist du nun stolz?«
Ich erinnere mich daran, sie nie wieder beim Frühstück zu stören.
»Und, wie war dein Abend?«, sage ich und ziehe mir ein dunkelblaues Hemd an, damit ich nicht aussehe wie ein Bestattungsunternehmer.
Sie zuckt mit den Schultern. Soll heißen: wieder mal zu lange gearbeitet, Schuldgefühle wegen der Kinder, Schlafstörungen wegen des Jobs und schließlich beides mit Rotwein vor der Glotze bekämpft.
Sie nippt am Kaffee und mustert mich von oben bis unten.
»Du musst nicht mitkommen …«
»Ich mochte Edith.«
»Ich weiß«, sagt sie und sieht mich prüfend an. »Ich schaffe das schon alleine.«
Sicher tut sie das, aber manche Dinge sind zu zweit viel leichter, was sie nie zugeben würde. Sie hat mehr Männlichkeitsmacken abbekommen als ich.
»Was ziehst du heute Abend an?«, lenke ich ab und steige
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