Die bestellte Braut
Wahrheit die Ehre zu geben: Sie war wild entschlossen sich hier wohl zu fühlen, alles zu ihrer Zufriedenheit zu finden und so einen möglichst guten Eindruck bei Mr. Charles Sullivan zu hinterlassen.
Es blieb ihr eigentlich auch gar nichts anderes übrig, denn die letzten Ersparnisse von Miss O'Brian waren fast zur Gänze aufgebraucht. All ihre Hoffnungen ruhten nun auf der Black Creek Ranch und bei Mr. Sullivan. Laut Mr. Smith ja ein gutaussehender und umgänglicher Mann. Aber das erzählte der Heiratsvermittler wohl jeder Frau, die bei ihm vorstellig wurde. Mit verwahrlosten, faulen Trinkern würde er wohl keine Werbung für sein Eheanbahnungsinstitut machen können. Doch Steffiney O'Brian erwartete von ihrem Zukünftigen nicht mehr als ein Dach über dem Kopf sowie ein Minimum an Respekt.
Mit einem Ruck kam die Postkutsche zum Stehen und Steffiney war die Erste, die sich hinausdrängte. Sie nahm die helfende Hand, die der Kutscher ihr entgegenstreckte, nicht einmal wahr und sprang ohne Hilfe auf die Straße. Mit einem gespannten Lächeln drehte sie sich einmal im Kreis, blickte zur Fassade des Green Hotels hinauf und ließ ihren Blick dann über die Menschen schweifen.
Welcher von diesen Männern würde wohl Charles Sullivan sein? Mr. Smith hatte ihr versichert, dass er ihn brieflich davon in Kenntnis gesetzt hatte, wann sie ankam. Und sie war sicher, dass ihr zukünftiger Mann sie abholen würde oder zumindest jemanden schickte, der sie zur Ranch brachte, wenn er selbst keine Zeit hatte.
Einstweilen verabschiedete sich Miss O'Brian von ihren Mitreisenden, Mr. Winterbottom und einem älteren Ehepaar, das auf dem Weg nach Kalifornien war, gab dem Kutscher ein Trinkgeld dafür, dass er ihre Reisekiste vom Dach holte und sah sich um.
Nicht weit entfernt, auf der anderen Straßenseite, sah sie ein großes Gebäude mit mehreren Stockwerken, das sich „The Gemstone“ nannte. Noch in die Überlegung versunken, was dieses Gemstone wohl sein könnte, flog durch die Schwingtüren plötzlich ein Mann und landete einige Meter weiter entfernt im Straßenstaub. Mit Mühe kam er wieder auf die Beine, lachte und torkelte zurück zur Tür.
Leicht schockiert über diese Tatsache musste Miss O'Brian feststellen, dass der Mann wohl schon am helllichten Tag sturzbetrunken war. Gut, vielleicht war irgendwo auch ein Fünkchen Wahrheit in diesem Abenteuerheft gewesen...
Und bei dieser Erkenntnis keimte für einen Moment der Gedanke in ihr auf, was wäre, wenn Charles Sullivan ebenfalls so ein Trunkenbold war, der seine eigene Frau verprügelte.
Doch ein unaufhörliches Zupfen an ihrem Kleid ließ sie in die Wirklichkeit zurückkehren und bewahrte die junge Frau vor weiteren düsteren Zukunftsvisionen. Etwas verwirrt blickte sie nach unten und sah sich mit einem strahlenden, sommersprossigen Gesicht konfrontiert.
„Ladies sollten nicht allein auf der Straße rumstehen, sagt mein Dad.“
Etwas verblüfft beugte Steffiney sich zu dem kleinen Mädchen mit den strohblonden Haaren hinunter. Älter als acht konnte sie kaum sein.
„Nun, da hat Dein Vater natürlich recht, aber ich warte auf jemanden. Ich dachte, dass ich hier abgeholt werden würde.“ Noch einmal ließ Miss O'Brian ihren Blick über die staubige Hauptstraße von Green Hollow schweifen, doch ohne Erfolg. Niemand schien für die junge Frau mit ihrer Reisekiste mehr als einen abschätzenden Blick übrig zu haben, bevor er weiter ging.
„Wer soll Sie denn abholen, Miss? Ich kenne hier jeden Farmer und Rancher in der Umgebung. Meinem Dad gehört nämlich der Laden hier in der Stadt!“ Die Kleine sagte dies in einem Brustton der Überzeugung und zeigte dabei so inbrünstig mit dem Zeigefinger quer über die Straße, wo ein Schild Plockton's Warehouse auswies, dass Steffiney sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Ich will zur Black Creek Ranch. Kennst Du die?“
Mit einer wegwerfenden Geste nahm die Kleine ihre Hand und zog sie ein Stück auf die Straße und deutete nach Süden. „Klar, das ist die Ranch von Mr. Sullivan. Da müssen Sie hier die Straße hinunter bis zu dem Wäldchen und dann links abbiegen und dann immer mit dem Weg mit. Aber Miss,“ Die Kleine schien plötzlich ganz ernst zu werden. „da können Sie nicht laufen. Das sind mindestens fünf Meilen, sagt mein Dad.“
Ja, so was hatte sich Steffiney schon fast gedacht. Und so langsam wurde sie nervös. Sich in Boston eine Droschke zu nehmen, um von einem Ende der Stadt zum anderen zu
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