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Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime

Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime

Titel: Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schaute zu ihm hoch. «Aber das ist doch nicht so wichtig, nicht wahr?» Und dann wurden ihre Augen plötzlich ganz groß. Sie hielt den Atem an. «Oh!» sagte sie.
    «Oh! Wie merkwürdig! Sie begreifen nicht...»
    Macfarlane war verblüfft. Immer noch starrte sie ihn an.
    «Ich dachte, sie müßten... Sie sollten es eigentlich. Sie sehen aus, als könnten Sie es auch...» Alistair verstummte.
    «Was denn?»
    «Als hätten Sie die Gabe – oder den Fluch; nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich glaube, Sie haben es auch. Schauen Sie ganz genau auf diese Vertiefung im Gestein. Denken Sie gar nichts; sehen Sie bloß hin... Ah!»
    sagte sie plötzlich und er schauerte. «Und – haben Sie etwas gesehen?»
    «Es muß Einbildung gewesen sein. Für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als wäre sie voll mit – Blut!»
    Sie nickte. «Ich wußte, daß Sie es können. Das hier ist die Stelle, an der die Sonnenanbeter ihr Opfer darbrachten. Ich wußte es, bevor man es mir erzählte. Und manchmal weiß ich sogar, was sie dabei empfanden – als wäre ich selbst dabeigewesen... Und die Heide hat etwas, das mir das Gefühl gibt, als kehrte ich langsam zurück... Daß ich diese Gabe besitze, ist nur natürlich. Schließlich bin ich eine Ferguesson. Das Zweite Gesicht liegt in der Familie. Und bevor mein Vater sie heiratete, war meine Mutter ein Medium. Christine hieß sie. Sie war sehr berühmt»
    «Meinen Sie mit ‹Gabe› die Fähigkeit, Dinge zu sehen, bevor sie geschehen?»
    «Ja – vorher und hinterher, das ist dasselbe. Zum Beispiel sah ich, wie Sie überlegten, warum ich Maurice geheiratet hätte – O ja, das haben Sie! Die Erklärung ist ganz einfach:
    Ich habe immer gewußt, daß irgend etwas Entsetzliches drohend über ihm hängt... Davor möchte ich ihn bewahren... Frauen sind nun einmal so. Mit meiner Gabe sollte ich eigentlich in der Lage sein, es zu verhindern – wenn es überhaupt zu verhindern ist. Dickie konnte ich nicht helfen. Und Dickie wollte es auch nicht begreifen... Er hatte Angst. Er war noch sehr jung.»
    «Zweiundzwanzig.»
    «Und ich bin dreißig. Aber das meinte ich nicht. Es gibt so viele Arten, voneinander getrennt zu werden: durch Länge und Höhe und Breite... aber durch die Zeit getrennt zu sein, ist das schlimmste...» Sie versank in ein langes grübelndes Schweigen.
    Der gedämpfte Klang eines Gongs, der vom Haus heraufdrang, störte sie auf.
    Beim Mittagessen beobachtete Macfarlane ihren Mann, Maurice Haworth.
    Zweifellos war Mr. Haworth in seine Frau sehr verliebt. In seinen Augen lag die fraglose, glückliche Zuneigung eines Hundes. Macfarlane bemerkte auch die Zärtlichkeit, mit der sie darauf reagierte und die einen Anflug von Mütterlichkeit hatte. Nach dem Essen verabschiedete er sich.
    «Ich bleibe für einen Tag – oder auch zwei – unten im Gasthaus. Darf ich noch einmal heraufkommen und Sie wiedersehen? Morgen vielleicht?»
    «Selbstverständlich. Aber...»
    «Ja?»
    Sie fuhr mit der Hand über die Augen. «Ich weiß nicht. Ich – ich glaube fast, wir sollten uns nicht noch einmal sehen. Das ist alles. Auf Wiedersehen.»
    Langsam ging Macfarlane die Straße hinunter. Gegen seinen Willen schien eine eisige Hand sein Herz umklammert zu haben. Nicht wegen ihrer Worte, natürlich, sondern...
    Ein Wagen fegte durch die Kurve. Er preßte sich an die Hecke – gerade noch rechtzeitig. Eine merkwürdige graue Blässe überzog sein Gesicht...

    «Um Himmels willen – meine Nerven sind zum Teufel», knurrte Macfarlane, als er am folgenden Morgen aufwachte.. Nüchtern rief er sich die Ereignisse des vergangenen Nachmittags ins Gedächtnis. Der Wagen, der Abkürzungsweg zum Gasthaus und der plötzliche Nebel, der ihn vom Weg abgebracht hatte, und dazu das Bewußtsein , daß ganz in der Nähe gefährliches Sumpfgebiet lag; dann die Schornsteinhaube, die vom Gasthof heruntergefallen war, und der Brandgeruch nachts, der von einem glimmenden Holzstück stammte, das auf dem Vorleger seines Kamins gelegen hatte. Es hatte nichts zu bedeuten! Gar nichts hatte es zu bedeuten - aber dazu ihre Worte und die tiefe, von ihm gar nicht bemerkte Gewißheit in seinem Herzen, daß sie Bescheid wußte...
    In einem plötzlichen Anfall schleuderte er die Bettdecke weg. Er mußte aufstehen, und als erstes mußte er sie sprechen. Das würde den Bann brechen. Vorausgesetzt allerdings, er würde heil hinkommen... Himmel, was war er doch für ein Idiot!
    Zum Frühstück konnte er kaum etwas essen. Als es zehn Uhr

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