Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
haben keine Chance. Inmitten der Getreuen entdecke ich ein vertrautes Gesicht – Zeke, wie er den Knauf seiner Waffe einem Fraktionslosen gegen das Kinn rammt. Nach zwei Minuten sind die Fraktionslosen überwältigt und fallen, getroffen von Kugeln, die ich erst sehe, als sie sich bereits in das Fleisch ihrer Opfer gegraben haben. Die Angreifer verteilen sich im Raum und treten über Leichen, als seien sie nichts als Schutt. Sie sammeln alles auf, was ihnen in die Finger kommt. Zeke stapelt einzelne Waffen auf dem Tisch. In seinen Zügen liegt ein harter Ausdruck, wie ich ihn nur selten gesehen habe.
Dabei weiß er noch nicht einmal, was mit Uriah geschehen ist.
Die Frau am Schreibtisch tippt mehrmals auf den Bildschirm. Auf einem der kleineren Schirme über ihr erscheint ein Ausschnitt der Aufnahmen, die wir gerade gesehen haben, als Standbild. Sie tippt erneut auf den Schirm und die Kamera zoomt näher an den Fokus heran – ein Mann mit kurz geschorenem Haar neben einer Frau mit langen, dunklen Haaren, die ihr seitlich übers Gesicht fallen.
Marcus natürlich. Und Johanna – mit einer Waffe in der Hand.
» Mit vereinten Kräften haben sie es geschafft, einen Großteil der loyalen Fraktionsmitglieder für ihre Sache zu gewinnen. Überraschenderweise sind die Getreuen gegenüber den Fraktionslosen dennoch in der Unterzahl. « Die Frau lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und schüttelt den Kopf. » Es gibt viel mehr Fraktionslose, als wir geahnt haben. Es ist schwierig, an genaue Zahlen zu kommen, wenn die Betreffenden in alle Himmelsrichtungen verstreut sind. «
» Johanna? An der Spitze einer Rebellion? Mit einer Waffe? Das ergibt keinen Sinn « , sagt Caleb.
Ich habe Johanna einmal sagen hören, dass sie, wäre es nach ihr gegangen, einen Aufstand gegen die Ken der passiven Haltung vorgezogen hätte, die der Rest ihrer Fraktion befürwortete. Aber damals war sie von ihrer Fraktion abhängig. Jetzt, da die Fraktionen aufgelöst sind, scheint sie sich aus ihrer Rolle als Sprachrohr der Amite befreit zu haben. Aus ihr ist nicht nur die Anführerin der Getreuen geworden, sie ist jetzt eine Kriegerin.
» Das ergibt mehr Sinn, als du vielleicht denkst « , erwidere ich, und Cara nickt.
Ich beobachte, wie sie Waffen und Munition aus dem Raum schaffen und sich schnell in alle Richtungen verstreuen wie Saatkörner im Wind. Ich fühle mich bleiern, wie mit einer neuen Last beschwert. Ich frage mich, ob die anderen – Cara, Christina, Peter, sogar Caleb – genauso empfinden. Die Stadt, unsere Stadt ist der endgültigen Zerstörung näher als je zuvor.
Wir können zwar vorgeben, nicht mehr Teil dieser Stadt zu sein, während wir hier verhältnismäßig sicher leben, aber das stimmt nicht. Wir werden immer dorthin gehören.
3 6 . Kapitel
Tris
Es schneit und ist dunkel, als wir in die Einfahrt zum Amt abbiegen. Die Flocken wirbeln über die Straße, leicht wie Puderzucker. Es ist nur ein früher Herbstschnee, von dem am Morgen nichts mehr da sein wird.
Ich nehme meine kugelsichere Weste ab, kaum dass ich aus dem Truck gestiegen bin, und reiche sie Amar zusammen mit meiner Waffe. Sie fühlt sich unangenehm in meiner Hand an – ich dachte, dass dieses Unbehagen mit der Zeit vergehen würde, aber inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Vielleicht wird es für immer bleiben und vielleicht ist das auch ganz gut so.
Warme Luft hüllt mich ein, als ich durch den Eingang gehe. Jetzt, da ich die Zone mit eigenen Augen gesehen habe, wirkt der Gebäudekomplex noch makelloser als zuvor. Der direkte Vergleich ist verstörend. Wie kann ich über diese quietschenden Böden gehen und diese gestärkten Kleider tragen, wenn ich gleichzeitig weiß, dass dort draußen Menschen sind, die ihre Behausungen für ein wenig Wärme mit Planen abdecken müssen?
Doch als ich den Hotelschlafsaal erreiche, ist das beklemmende Gefühl verflogen.
Ich blicke mich suchend im Raum um und halte nach Christina oder Tobias Ausschau, aber keiner von beiden ist hier. Ich sehe nur Peter, der mit einem großen Buch auf dem Schoß in einen Notizblock kritzelt, und Caleb, der vertieft ist in das Tagebuch unserer Mutter und mit glasigen Augen auf den kleinen Bildschirm starrt. Ich versuche, nicht weiter darüber nachzudenken.
» Hat einer von euch vielleicht … « Wen will ich sehen, Christina oder Tobias?
» Four gesehen? « , nimmt mir Caleb die Entscheidung ab. » Ich habe ihn vorhin im Genealogie-Raum getroffen. «
» Im … was? «
»
Weitere Kostenlose Bücher