Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
erreiche.
Jetzt ist der Tank nicht beleuchtet, aber es tropft immer noch Wasser auf den Stein, Sekunde um Sekunde. Eine Weile stehe ich einfach nur da und schaue zu. Dann sehe ich auf der anderen Seite des Steinquaders meinen Bruder.
» Alles in Ordnung mit dir? « , fragt er zaghaft.
Nichts ist in Ordnung. Eine Zeit lang habe ich wirklich geglaubt, ich könnte hier endlich einen Ort finden, an dem ich bleiben kann. Einen Ort, frei von Umstürzen, Korruption und Kontrollsucht. Einen Ort, an den ich gehöre. Dabei sollte ich doch langsam begriffen haben, dass ein solcher Ort nicht existiert.
» Nein « , antworte ich.
Er kommt um den Steinblock herum auf mich zu. » Was ist denn los? «
» Was los ist? « Ich lache auf. » Sagen wir es einmal so: Ich habe gerade herausgefunden, dass du nicht der schlechteste Mensch bist, den ich kenne. «
Ich gehe in die Knie und fahre mir mit den Fingern durchs Haar. Ich fühle mich benommen und diese Benommenheit erschreckt mich. Das Amt ist für den Tod meiner Eltern verantwortlich. Warum muss ich mir das immer wieder in Erinnerung rufen, um es zu glauben? Was stimmt nicht mit mir?
» Oh « , murmelt er. » Es tut mir … leid? «
Ich ächze leise, zu mehr bin ich nicht imstande.
» Weißt du, was Mom mir einmal erzählt hat? « , fährt er fort, und die Art, wie er Mom sagt, als hätte er sie nicht verraten, macht mich rasend. » Sie sagte, dass alle Menschen in ihrem Inneren etwas Böses tragen und dass der erste Schritt dazu, jemanden zu lieben, darin besteht, das gleiche Böse in sich selbst zu erkennen, sodass man es dem anderen verzeihen kann. «
» Ist es das, was du von mir willst? « , frage ich tonlos, während ich aufstehe. » Ich mag schlimme Dinge getan haben, Caleb, aber ich würde dich niemals zu deiner eigenen Hinrichtung führen. «
» Das kannst du so nicht sagen « , begehrt er auf. Er klingt flehentlich, als hoffte er von mir zu hören, dass auch ich nicht besser bin als er. » Du kannst dir nicht vorstellen, wie überzeugend Jeanine war … «
Etwas in mir reißt wie ein brüchiges Gummiband.
Ich schlage ihn ins Gesicht.
Ich sehe es immer noch vor mir, wie die Ken mir Armbanduhr und Schuhe abgenommen und mich zu dem kahlen Tisch geführt haben, auf dem ich sterben sollte. Ein Tisch, den Caleb ebenso gut selbst hätte aufstellen können.
Ich dachte, ich hätte den Zorn hinter mir gelassen, aber als er jetzt zurücktaumelt und die Hände vors Gesicht schlägt, packe ich ihn am Shirt und schleudere ihn gegen die Steinskulptur. Ich schreie ihn an, dass er ein Feigling und ein Verräter ist und dass ich ihn umbringen werde.
Eine Sicherheitsfrau kommt auf mich zu, legt mir ihre Hand auf den Arm und der Bann ist gebrochen. Ich lasse Calebs Shirt los und schüttele meine schmerzende Hand aus. Dann kehre ich ihm den Rücken zu und gehe davon.
Ein beiges Sweatshirt hängt über dem leeren Stuhl in Matthews Labor, einer der Ärmel berührt den Boden. Ich habe seinen Vorgesetzten noch nie zu Gesicht bekommen. Langsam hege ich den Verdacht, dass Matthew der Einzige ist, der den Laden hier am Laufen hält.
Ich setze mich auf das Sweatshirt und mustere meine Fingerknöchel. Von meinem Schlag in Calebs Gesicht ist meine Haut an einigen Stellen aufgerissen und von bläulichen Schrammen überzogen. Es passt irgendwie, dass der Schlag bei uns beiden Spuren hinterlassen hat. So läuft es eben.
Als ich gestern Nacht in den Schlafsaal zurückkehrte, war Tobias nicht da und ich zu aufgebracht, um zu schlafen. Während ich stundenlang wach lag und zur Decke starrte, beschloss ich, dass ich Nitas Plan zwar nicht unterstützen, aber auch nicht vereiteln will. Die Wahrheit über die Angriffssimulation hat in mir einen solchen Hass auf das Amt entfacht, dass ich sehen will, wie es von innen heraus zerbricht.
Matthew erzählt irgendwas und verliert sich in Wissenschaftskauderwelsch. Es fällt mir schwer, ihm zuzuhören.
» … führten einige genetische Analysen durch, und das hat auch geklappt, aber vorher mussten wir eine Methode entwickeln, damit sich das Gedächtnispräparat wie ein Virus verhält « , erklärt er. » Also mit der gleichen Replikationsrate und der Fähigkeit, sich über die Luft auszubreiten. Dann haben wir einen Impfstoff dagegen entwickelt. Seine Wirkung ist zeitlich begrenzt, sie hält nur etwa achtundvierzig Stunden an, aber immerhin. «
Ich nicke. » Also … das macht ihr alles, um Experimente in anderen Städten effizienter anlegen zu
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