Die Beutefrau
können. Dein Gemahl, verehrte Geva, nur er kann diesem für alle Beteiligten unwürdigen Gemetzel ein für allemal ein Ende bereiten.«
»Wohl nur, indem du meinem Mann ein für allemal ein Ende bereitest«, gab Geva gelassen zurück.
Zur Überraschung aller Anwesenden sank Karl auf die Knie. »Ich schwöre«, rief er, »daß ich Widukind kein Haar krümmen werde, wenn er sich zur Kirche des alleinigen lebendigen Gottes bekennt. Ich schwöre beim Grab meines Vaters und meiner Mutter, daß ich ihn mit allem ausstatten werde, das er benötigt, um in Würde leben zu können, und daß ich ihm und den Seinen jegliche Achtung erweisen werde, wenn er Saxnot, Wotan und euren anderen Göttern abschwört.«
Kühl blickte Geva auf den langbärtigen Hünen, der vor ihr kniete. Plötzlich berührte sie sacht seine Schulter.
»Laßt meinen Bruder vermitteln«, sagte sie hoheitsvoll und wandte sich um. Man hätte das Bohren eines Holzwurms im Gebälk hören können, als sie den Saal verließ.
»Du bist vor diesem Heidenweib auf die Knie gefallen?« fragte Fastrada am Abend fassungslos.
»Nicht vor ihr«, erwiderte Karl, »sondern vor dem Leid, das dieser Krieg allen gebracht hat.« Und vor Gott, dachte er, der Herr möge mir verzeihen, daß ich in Verden die Beherrschung verloren habe!
Hätte er weniger gewütet, wenn ihn am Morgen jenes schwarzen Tages nicht die Nachricht von Hildegards schwerer Krankheit erreicht hätte? Die Nachricht, daß sie nach der zu frühen Geburt einer überaus schwachen Tochter wohl nicht mehr zu Kräften kommen würde? Er wußte es nicht. Er konnte sich nur noch an die Verzweiflung erinnern, die sich seiner damals bemächtigt hatte. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob sein Oheim Karlmann bei dem fürchterlichen Blutgericht in Cannstatt möglicherweise nicht nur die Alemannen, sondern auch die Belastung einer eigenen Schwäche hatte loswerden wollen.
Wenige Wochen später überbrachte König Siegfried von Dänemark höchstselbst dem Frankenherrscher eine Nachricht von Widukind.
»Er ist bereit, sich mit dir zu treffen, um ein Ende des Streits herbeizuführen«, erklärte Gevas Bruder. »Ich soll dir seine Bedingungen vortragen.«
Karl schluckte die Erwiderung herunter, daß der von aller Welt gehetzte Sachsenführer sich wohl kaum in der Lage befinde, Bedingungen zu stellen. Zumal seine Familie bereits in Karls Gewalt weilte – auch wenn sie auf der Eresburg mit größtmöglicher Achtung behandelt wurde.
»Was verlangt er?« fragte Karl.
»Natürlich die Herausgabe seiner Familie. Weiter fordert er, vor dem Treffen hochrangige Franken als Geiseln zu seinem Lager zu verbringen. Und er beansprucht die Zurückgabe aller ihm genommenen Ländereien.«
»Und dafür ist er bereit, sich mit der Taufe dem einzigen wahren Gott zuzuwenden, seinen Heidengöttern zu entsagen und für immer die Waffen schweigen zu lassen?« fragte Karl zweifelnd.
»Du sagst es.«
»An welchem Ort wünscht er die Begegnung?«
»Bei den hohen Felsen im Teutoburger Wald, die von den Sachsen Eggstersteine genannt werden. War das nicht jene Stelle, wo du ihr Heiligtum, die Irminsul, zerstört hast?«
»Vielleicht hofft Widukind, daß mich dort einer seiner Götter mit einem Felsbrocken zerschmettert«, meinte Karl, ohne auf Siegfrieds Frage zu antworten. Schließlich brauchte niemand zu wissen, daß er selbst unsicher war, wo er denn nun ›die alles tragende Säule‹, das sagenumwobene Abbild des germanischen Weltenbaums Yggdrasil, vernichtet hatte. Seine Leute, die im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts mindestens ebenso viele heidnische Kultstätten zerstört hatten wie Widukinds Männer christliche Kirchen, waren angewiesen worden, dabei nach dem Vorbild des Bonifatius sicherheitshalber alle alten Bäume, vor allem natürlich die Donar-Eichen, sowie sämtliche Holzsäulen und Thingplätze im weiten Umkreis zu vernichten. Quellen sollten zugeschüttet, Haine abgefackelt, Steinhaufen abgetragen und alles, was auch nur entfernt auf eine mögliche Kultstätte hinwies, vernichtet werden. Auch keiner der gefangenen oder bekehrten Sachsen hatte bisher verlauten lassen, ob nun der Riesenbaum, der auf den Eggstersteinen gefällt worden war, tatsächlich jenes Heiligtum darstellte, das für die Sachsen die Verbindung des Himmels mit der Erde versinnbildlichte. Alkuin hatte bereits die Vermutung geäußert, daß selbst unter den vier Sachsenstämmen und deren vielen Gruppierungen Uneinigkeit über den Standort des
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