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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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nicht sehr tief, vor Karl. »So nimm mich denn hin, Sohn der Bertrada, und sage mir, wann und wo ich mich einfinden soll, um den Sieg deines Kindgottes zu feiern.«
    »Was nennst du meine Mutter, da ich doch auch der Sohn König Pippins bin?« fragte Karl. Wenn er mir jetzt mit der Schwanenjungfrau oder den magischen Kräften meiner Mutter kommt, lasse ich ihm sogleich eine erste Unterweisung in der christlichen Lehre erteilen, schwor er sich. Doch der Sachsenfürst erwiderte diplomatisch: »Unsere Verehrung gilt der ehrwürdigen Frau, die dir das Leben geschenkt hat.«
    »Mögen alle Westfalen, Ostfalen, Engern und Nordalbinger deiner Bekehrung zum wahren Glauben folgen«, fuhr Karl fort. »Du sollst am Weihnachtstag, einem unserer größten Feste, mit deiner Familie wieder vereinigt werden. Du, dein edler Schwager Abbio und alle deine Gefährten sind auf unsere Pfalz Attigny eingeladen, wo ihr die heilige Taufe empfangen werdet. Wir haben uns hart geschlagen, nun wollen wir Frieden stiften und Freundschaft halten. Ich selbst werde dein Taufpate sein.«
    »Freust du dich auf morgen?« fragte Karl am Vorabend der Tauffeierlichkeiten die dreijährige Tochter des Sachsenführers.
    Gerswind nickte heftig und strahlte Rotrud an, die sie sich als Taufpatin gewünscht hatte.
    »Worauf freust du dich denn am meisten?«
    »Auf die Geschenke!« erwiderte das Kind.
    Der König nickte nachdenklich. Hätte Gerswind das Wiedersehen mit ihrem Vater genannt, wäre er in seinem Entschluß vielleicht schwankend geworden. Karl rechnete kurz nach. Vor etwas mehr als vier Monden waren Geva und ihre Kinder auf die Eresburg verbracht worden. Eine lange Zeit für ein kleines Kind. Ihm war aufgefallen, daß Gerswind ihren Vater kaum noch erwähnte. Kinder haben ein kurzes Gedächtnis. Er, Karl, wußte schon, weshalb er seine Kinder immer um sich haben wollte. Und Gerswind sollte künftig dazugehören – auch wenn sie offiziell den Rang einer Geisel hätte. Widukind würde sich damit begnügen müssen, seine Frau und die beiden anderen Kinder zurückzubekommen. Vielleicht würde es der Sachsenfürst aber auch als Ehre betrachten, daß seine Tochter zusammen mit den Kindern des Königs am Hof erzogen werden sollte. Die Trennung von dem Kind wollte Karl seinem einstigen Widersacher mit einer ganz besonderen Taufgabe versüßen: Er sollte den edelsten Schimmel aus dem königlichen Marstall erhalten, ein Pferd, das es wahrlich wert war, auf dem Wappen des Führers des westfälischen Sachsen zu prangen.

2
    Familiengeheimnisse
    Im Jahr 792
    Verwundert blickte Martinus Teles der tiefverschleierten Frau nach. Ohne seinen Gruß zur Kenntnis zu nehmen, rauschte sie im Regensburger Palatium forschen Schrittes mit einem vielleicht achtjährigen rothaarigen Mädchen an der Hand an ihm vorbei. Schon an ihrem Gang hätte er sie unter Tausenden verhüllter Frauen erkannt. Gisela, die Schwester des Königs, hatte zwar zwei gleich große Füße, aber sie bewegte sich genauso wie einst ihre Mutter Bertrada. Und mit dieser war Teles erst als Sklave und viel später als ihr persönlicher Referendarius lange Strecken gewandert.
    Ob Gisela wie Bertrada wohl auch einen Stein verflucht, wenn er ihr im Weg liegt? Er verwarf diesen Gedanken augenblicklich. Die Äbtissin von Chelles würde sich höchstens bei einem ihrer Heiligen über ein Hindernis beklagen. Sie war fester im christlichen Glauben verankert, als es ihre Eltern je gewesen waren, die zwar verstohlen, aber für ihn dennoch merkbar gelegentlich heidnischen Bräuchen gehuldigt und heimlich Talismane geweiht hatten. Geschadet hatte das ihnen wohl ebensowenig, wie es ihm, Teles, schadete, wenn er dann und wann den Göttern seiner Kindheit ein kleines Opfer darbrachte.
    Nicht ohne Grund hatte sich Teles vor den Tauffeierlichkeiten vor sieben Jahren freiwillig als Geisel zu Widukind schicken lassen. Er war begierig darauf, mehr über die Götter zu erfahren, die der Frankenkönig und seine Mannen so wütend bekämpften. Und sein Wunsch erfüllte sich.
    Der Sachsenfürst Widukind erkannte in dem entwurzelten Griechen einen väterlichen Gleichgesinnten, der sich ebenfalls nur unter Zwang hatte taufen lassen und der Religion seiner Ahnen immer noch heimlich Ehrfurcht entgegenbrachte. Teles begriff seinerseits, daß auch dem Vater der kleinen Gerswind, diesem hellblonden Lichtgeschöpf, ein einziger Gott niemals wirklich genügen könnte.
    Jeder, der mit einer Vielzahl von Göttern aufgewachsen war, konnte die

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