Die Bibel
Jahre nur, dann kommt das Ende am Kreuz. Aber danach ist nichts mehr so, wie es war.
Verstanden haben wir das Neue damit noch nicht. Das ist normal. Die Jünger, obwohl immer in seiner Nähe, hatten es auch bis kurz nach seinem Tod nicht wirklich begriffen.
Ein Fremdling namens Jesus
Jesus bleibt vielen seiner Zeitgenossen fremd und unverständlich. Er eckt an, verstört, verletzt. Als Jesus außerhalb von Galiläa, am anderen Ufer des Sees Genezareth, einen Besessenen heilt, lässt er die Dämonen, die den Kranken besetzen, in eine in der Nähe weidende Schweineherde fahren. Zweitausend Schweine stürzen sich daraufhin von einem Abhang in den See und ertrinken. Die Besitzer der Schweine sind nicht begeistert.
Im Tempel von Jerusalem ärgert sich Jesus so maßlos über die Marktschreier, Geldwechsler und Geschäftemacher, dass er sie hinauspeitscht und wütend das Geld von den Tischen fegt und die Verkaufsstände demoliert. Am Wirtschaftsstandort Jerusalem ist man nicht erbaut.
Bei der Hochzeit zu Kana sagt ihm Maria, der Hochzeitsgesellschaft fehle der Wein. Daraufhin herrscht Jesus seine Mutter an:
Weib, was habe ich mit dir zu schaffen!
Maria nimmt es schweigend hin. Die Umstehenden wundern sich. Danach verwandelt er Wasser in Wein. Aber vorher musste er noch seine Mutter angiften.
Schroff, abweisend, manchmal geradezu unmöglich verhält er sich auch Menschen gegenüber, um die er eigentlich wirbt. Einer, den er zur Nachfolge aufruft, bittet darum, zuerst seinen Vater begraben zu dürfen. Jesus knurrt:
Lass die Toten ihre Toten begraben
. Den letzten Liebesdienst, dem man seinem Vater erweisen kann, die im ganzen Orient heiligste Pflicht des Sohnes soll sich der junge Mann versagen um Jesu willen. Was maßt sich dieser Jesus an?
Auf einer seiner Wanderungen mit seinen Jüngern sagt er diesen, er sei nicht gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Vielmehr sei er gekommen, die «Entzweiung» zu bringen und das «Schwert».
Einem jungen Mann, der ihn fragt, was er tun soll, um das ewige Leben zu erlangen, sagt er, er solle die Gebote halten. Der junge Mann antwortet, die habe er alle gehalten von seiner Jugend an. Daraufhin sagt Jesus:
Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen.
Da ging der junge Mann
betrübt davon, denn er hatte viele Güter
.
Während einer seiner Vorträge wird Jesus leise zugeflüstert, draußen stünden seine Mutter und seine Brüder, sie wollten mit ihm reden. Und Jesus gibt die merkwürdige Antwort:
Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Meine Mutter und meine Brüder sind die, welche das Wort Gottes hören und es tun!
Heißt es nicht im vierten Gebot, man solle Vater und Mutter ehren? Jesus setzt sich darüber hinweg. Dem reichen Jüngling aber, der alle Gebote hält, sagt er, das sei nicht genug. Man könnte, wenn man wollte, noch etliche solcher Beispiele aneinander reihen und anschließend Jesus leicht als verrückten, sich selbst widersprechenden Sektenprediger abtun. Man kann es aber nur, wenn man ihn bewusst missverstehen will, seinen jüdischen Hintergrund ignoriert und die Mühe scheut, das Ganze seiner Botschaft zu begreifen.
Es geht in der Geschichte vom reichen Jüngling nicht um eine allgemeine Aufforderung an alle Reichen, ihren Besitz an die Armen zu verschenken. Vielmehr muss man diese Geschichte verstehen als eines von vielen Beispielen für die Zumutungen des Christseins und die Radikalität der christlichen Existenz.
Gott zu gehorchen heißt, sein Leben wegzuwerfen, es an ihn zu verschwenden, sich ihm ganz, mit Haut und Haaren, zu verschreiben. Kommt herunter von euren lächerlichen Selbstverwirklichungs- und Egotrips, ruft Gott, ruft Jesus den Menschen zu. Hört auf mit dieser blödsinnigen Suche nach euch selbst. Wenn ihr euch wirklich selber finden solltet, werdet ihr über eure Funde ziemlich enttäuscht sein. Darum lasst das Kreisen um euch selbst, es führt zu nichts.
Viele wollen das nicht wahrhaben. Aber es ist so. Die ganze Bibel redet vom Anfang bis zum Ende von nichts anderem. Jesus ist ein Radikaler. Er zieht die Menschen aus ihrer gesicherten bürgerlichen Existenz in eine radikal neue, freie, ungesicherte Existenz und fasst den Vorgang in dem Satz zusammen:
Wer seine Seele retten will, der wird sie verlieren; wer aber seine Seele verliert um meinetwillen, der wird sie finden
.
Das macht den Menschen Angst, alles in ihnen sträubt sich gegen die Zumutungen des Glaubens, und wenn sie meinen,
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