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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nuernberger
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ihnen dennoch schon fast ganz entsprochen zu haben, baut sich plötzlich, wie durch Zauberei, eine letzte kleine Hürde auf, die noch überwunden werden muss, jedoch aus «objektiven Gründen» gerade jetzt nicht überwunden werden kann, aber morgen oder übermorgen ganz gewiss. Diese letzte Ausflucht ist bei jedem eine andere – ich muss erst noch meinen toten Vater begraben; mein Beruf lässt mir leider keine Zeit; ich baue gerade ein Haus; ich muss auf meine Eltern Rücksicht nehmen; ich habe doch eine Familie; für dieses Jahr bin ich schon total verplant; meinen ganzen Besitz den Armen geben, das bringt doch nichts, da mache ich mich ja selbst zum Sozialfall; natürlich ist der Tempel ein heiliger Bezirk, deshalb ist er ja auch der ideale Ort, um Geschäfte zu machen, was soll daran so schlimm sein?
    Die Summe solcher Ausflüchte ergibt das, was wir die bürgerliche Vernunft nennen, den in jeder Epoche gültigen Common Sense. Es gab ihn auch im Israel zur Zeit Jesu. In diese Vernunft der Schriftgelehrten bricht Jesus ein. Die Inhaber der Deutungshoheit sind sich ihrer selbst so gewiss, dass sie durch vernünftige Gegenargumente nicht zu erschüttern sind. Sie haben für alles vernünftige Gegen-Gegenargumente. Deshalb bedarf es der Provokation, der Überspitzung, und der scheinbaren Verrücktheit eines Jesus. Wer etwas in dieser schwerfälligen Welt verrücken will, muss selbst schon verrückt sein.
    Jesus gelingt es, den Common Sense zu erschüttern – und espassiert das, was er seinen Jüngern schon erklärt hatte, als er sagte, er sei nicht gekommen, um sich in Friedensgesäusel zu ergehen, sondern um keinem Streit aus dem Weg zu gehen. Dort, wo er Menschen findet, die den Exodus wagen, die um seinetwillen Vater, Mutter, Geschwister und ihre Heimat verlassen, gibt es Zoff.
    Das ist gar nicht zu vermeiden, wenn einer den Gelehrtenstreit als Phrasendreschmaschine entlarvt und statt dessen zu einer Entscheidung aufruft. Dies allein ist schon provokant. Wenn einer dann auch noch sich selbst, seine eigene Person, zum Inhalt der Entscheidung macht, darf er des Hasses der Gelehrten gewiss sein. Wer eine neue Gesellschaft will, macht sich die alte zum Feind. Das ist programmiert.
    Jesus will nicht, dass die einzelnen Glaubenden isoliert vor sich hin leben, einmal in der Woche zu einer Veranstaltung namens Gottesdienst zusammenkommen und während des ganzen Rests der Woche ihren Glauben als Privatsache pflegen. Jesus will nicht, dass wir unserer bürgerlichen Existenz mit christlichem Zeremoniell das Sahnehäubchen aufsetzen. Er will, dass die vielen Einzelnen ihre Existenzen miteinander verbinden, ihren Glauben nicht nur in der Freizeit oder einmal in der Woche praktizieren, sondern ihn auch im Alltag, im Beruf leben. Er will, dass sie sich gegenseitig helfen, gemeinsam ihre Lasten tragen, ihr Leid teilen, ihren Besitz addieren, ihre Freude multiplizieren, dass sie einander vertrauen, einmütig sind und so eine öffentlich sichtbare neue Gesellschaft formen.
    Dazu braucht es Menschen, die aufhören, ihren eigenen Lebensentwürfen und Träumen hinterherzulaufen. Dazu braucht es Menschen, die aufhören, ihren Traum von einer besseren Welt in ihr Inneres, ihre Seele oder ins Jenseits zu verlegen und sich mit bloßer Innerlichkeit, Spiritualität oder modischer Esoterik zu bescheiden.
    Wenn ihr es wollt, sagt Jesus, können wir den Himmel auf dieErde holen. Wollen kann das aber nur jemand, der ahnt, dass es etwas gibt, das spannender ist als die Gewöhnlichkeit seines Lebens und interessanter als der säkulare Zirkus draußen in der Welt. Wollen können das nur Menschen, die ahnen, dass ein Plan existiert, der größer ist als die eigenen Pläne. Von diesem Plan spricht Jesus, wenn er sagt, wer den Willen Gottes tut, der sei sein Bruder, seine Schwester und seine Mutter.
    Den Willen Gottes tun heißt nicht, sich aufzuopfern, Verzicht zu üben, asketisch zu leben, nach hohen moralischen Maßstäben zu handeln, das Ideal der Humanität anzustreben, aus sich einen Heiligen zu machen. Helden und Heilige sucht Jesus nicht.
    Sünder und Schwache sucht und beruft er. Nur mit Menschen, die sich ihrer Schwäche und der Wahrheit über ihre eigene Existenz bewusst sind, kann Jesus arbeiten. Deren Blick lenkt er weg von ihren eigenen Interessen und ihrem eigenen Willen hin auf den Willen Gottes. Deren Leben verbindet er miteinander und richtet sie aus auf einen neuen Mittelpunkt, auf ihr gemeinsames Drittes: die Sache Gottes.
    So

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