Die Bibel
Jesus gebären soll.
Weil er schon bei der Wahl seines Volkes nicht unter den tüchtigen Völkern der Römer, Griechen, Ägypter, Babylonier, Hethiter,Phönizier oder Chinesen fündig wurde, sondern unter den Fronarbeitern in den Steinbrüchen Ägyptens, konnte der Mensch, mit dem Gott jetzt einen neuen Versuch startete, nicht in einem Kaiserpalast, umgeben von Höflingen, zur Welt kommen, sondern wurde in einem Stall geboren, umgeben von Hirten.
Gottes Personalpolitik ist prinzipiell anders als jene, die in weltlichen Unternehmungen als erfolgreich gilt. Als der Prophet Samuel in Gottes Auftrag durch Israel reiste, um den Posten des Königs zu besetzen, wurde ihm gesagt, ein Mann namens Isai habe die Söhne, die dafür infrage kämen. Sieben Söhne führt ihm Isai vor, einer tüchtiger als der andere, aber an den achten, David, hat keiner gedacht. Den jüngsten und kleinsten, den nach allen herkömmlichen Maßstäben falschen Mann, der zur falschen Zeit am falschen Ort die Schafe hütet, den wollte Gott damals als König haben.
Nun also Jesus. Er wird am Kreuz enden und seine Kirche auf Petrus bauen, der ihn verraten wird, noch ehe der Hahn kräht. Trotzdem wird diese Kirche siegen. Sie wird sogar so siegen, dass sie die Macht einer ganzen Epoche an sich reißen kann und darüber zu einer prunkenden Großorganisation degeneriert. Ein feistes, grobschlächtiges Mönchlein aus der sächsischen Provinz wird Gott dieser heruntergekommenen Weltmacht entgegenschicken, ein Nobody namens Martin Luther wird die Weltmacht erbeben lassen und wieder einigermaßen auf Kurs bringen.
Immer fängt Gott klein an, immer handelt er im Verborgenen, weitab vom Weltgeschehen, unter kleinen Leuten. Nie probiert er es in den Zentren der Macht, religiösen Hochburgen, unter Hohepriestern und Königen, weil er weiß: Dort sind Selbstüberschätzung, Zynismus und Arroganz stets so weit fortgeschritten, dass kein Raum mehr da ist für sein Eingreifen. Dort hat das Neue keine Chance.
Ist das Neue dann da, trifft es auf den geballten Widerstand der ganzen Welt und den Spott der Mächtigen. Das Neue, das vonGott kommt, erscheint seltsam anstößig und abgrundtief fremd, so fremd, wie Gottes Wille nun mal ist, immer war und immer sein wird.
Diese Erfahrung steht nun dem Kind bevor, das in seiner Krippe im Stall von Bethlehem liegt und nicht ahnt, dass es nur wenige Jahre Zeit haben wird, das anstößig-fremdartig Neue bekannt zu machen und auf der Welt zu etablieren.
Aber es wird ihm gelingen. Noch zweitausend Jahre nach seiner Geburt werden sich die Menschen fragen, was dieser Jesus eigentlich wollte und wer er denn war. Auch das hat damals niemand geahnt, nicht seine Eltern, nicht die Hirten im Stall, nicht der Hohe Rat in Jerusalem, nicht das Volk Israel und nicht der Kaiser in Rom.
Menschenfischer
Jesus erkennt: Zwölfhundert Jahre nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten ist Gott von seinem Ziel so weit entfernt wie eh und je. Sein auserwähltes Volk ist nicht die neue Gesellschaft, die er sich vorgestellt hatte. Sein Volk ist den anderen Völkern kein Vorbild, keine «leuchtende Stadt auf dem Berg». Es liefert dem Rest der Welt keine überzeugenden Gründe für die Annahme, dass der Gott Israels der wahre Gott sein könnte.
Israel kann der Welt nicht zeigen, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht, denn es ist selbst zu einer Klassengesellschaft verkommen. Es gibt Arme, die es niemals geben dürfte. Deren Not wird zwar gelindert durch die Almosen der Oberschicht, aber Linderung war nie das Ziel. Milch und Honig für alle stand auf dem göttlichen Plan. Irgendwann im Lauf der Geschichte ist die Erfüllung dieses Plans aufgegeben worden. Umso eifriger befolgtdas Volk die Speisegebote, die rituellen Waschungen, das Opfern und die vielen anderen Vorschriften, die nicht direkt den eigenen persönlichen Vorteil betreffen. Der Eifer fürs Gesetz verdrängt die Sorge um den Nächsten.
Jesus erkennt es. Wie vor ihm schon die Propheten kritisiert Jesus, wie sehr die in Israel gelebte Praxis an dem vorbeigeht, was Gott mit Israel einst vorhatte. Aber anders als die Propheten belässt er es nicht bei der Kritik, sondern hält Ausschau nach Gleichgesinnten, mit denen gemeinsam er den beklagenswerten Zustand Israels ändern kann. Das ist neu. Und wie er sein Vorhaben ins Werk setzt, ist völlig neu.
Seinen Wegbereiter findet Jesus in Johannes dem Täufer, einem sonderbaren Menschen, der in der Wüste lebt, mit Kamelhaaren bekleidet ist und
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