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Die Bibel nach Biff

Die Bibel nach Biff

Titel: Die Bibel nach Biff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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in Joshs Augen erkennen. Doch plötzlich war alles um uns taghell erleuchtet. Wir blickten auf und sahen, wie der gefürchtete Raziel von den Baumwipfeln auf uns herniederkam. Natürlich wusste ich damals nicht, dass es der gefürchtete Raziel war. Ich hatte nur schreckliche Angst. Der Engel leuchtete über uns wie ein Stern, seine Züge derart makellos, dass selbst die Schönheit meiner geliebten Maggie im Vergleich verblasste. Josua verbarg sein Gesicht und kauerte am Stamm eines Olivenbaumes. Ich denke, er war vom Übernatürlichen leichter zu überraschen als ich. Ich stand nur da und glotzte mit offenem Mund, sabbernd wie ein Vollidiot.
    »Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude, wie sie auch allen Menschen widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.« Dann schwebte er einen Moment, wartete, bis sich die Nachricht gesetzt hatte.
    Josua nahm die Hände vom Gesicht und riskierte einen Blick auf den Engel.
    »Also?«, sagte der Engel.
    Es dauerte eine Sekunde, bis ich die Bedeutung der Worte verdaut hatte, und ich wartete darauf, dass Josua etwas sagte, aber er sah nur himmelwärts und schien sich im Licht zu sonnen, mit einem dämlichen Lächeln im Gesicht.
    Schließlich deutete ich mit dem Daumen auf Josh und sagte:
    »Er ist in der Stadt Davids geboren.«
    »Wirklich?«
    »Absolut.«
    »Seine Mutter heißt Maria?«
    »Genau.«
    »Sie ist Jungfrau?«
    »Inzwischen hat er vier Brüder und Schwestern, aber früher, ja.«
    Nervös sah sich der Engel um, als erwartete er, dass von irgendwo eine Menge himmlischer Heerscharen auftauchte.
    »Wie alt bist du, Junge?«
    Josua glotzte nur lächelnd.
    »Er ist zehn.«
    Der Engel räusperte sich und flatterte etwas herum, sank dabei ein Stück herab. »Ich steck echt in der Klemme. Ich wollte auf dem Weg hierher kurz mit Michael plauschen, und da lief gerade ein Kartenspiel. Ich wusste wohl, dass es etwas gedauert hat, aber ...« Zu Josua sagte er: »Junge, bist du in einem Stall geboren? In Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend?«
    Josua antwortete nicht.
    »So erzählt es seine Mama«, sagte ich.
    »Ist er irgendwie zurückgeblieben?«
    »Ich glaube, du bist sein erster Engel. Er ist beeindruckt, schätze ich.«
    »Was ist mit dir?«
    »Ich krieg Ärger, weil ich eine Stunde zu spät zum Essen komme.«
    »Verstehe. Ich frag lieber noch mal nach. Falls ihr Hirten seht, die des Nachts ihre Herde hüten, sagt ihnen doch, äh, sagt ihnen, dass irgendwann, wahrscheinlich, na, vor zehn Jahren oder so, dass ein Heiland geboren wurde. Wollt ihr das tun?«
    »Logo.«
    »Okey-dokey. Ehre sei Gott in der Höhe. Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.«
    »Gleichfalls.«
    »Danke. Ciao.«
    Und so schnell wie er gekommen war, verschwand der Engel als Sternschnuppe, und der Olivenhain war wieder dunkel. Ich konnte Josuas Gesicht gerade noch erkennen, als er mich ansah.
    »Da hast du es«, sagte ich. »Nächste Frage?«
    Wahrscheinlich fragt sich jeder Junge, was aus ihm werden soll, wenn er mal groß ist. Wahrscheinlich sehen viele, wie Gleichaltrige Großtaten vollbringen und überlegen: »Hätte ich das auch gekonnt?« Zu wissen, dass mein bester Freund der Messias war, während ich als Steinmetz leben und sterben sollte, war für mich als Zehnjähriger schier unerträglich. Am Morgen, nachdem wir dem Engel begegnet waren, ging ich auf den Dorfplatz, setzte mich zu Bartholomäus, dem Dorftrottel, und hoffte, Maggie würde zum Brunnen kommen. Wenn ich denn Steinmetz werden musste, würde ich vielleicht wenigstens die Liebe einer bezaubernden Frau gewinnen. Damals begannen wir im Alter von zehn Jahren, uns auf unseren Beruf vorzubereiten, und bekamen dann mit dreizehn Gebetstuch und Gebetsriemen, was anzeigte, dass wir nun zu Männern wurden. Kurz darauf erwartete man, dass wir uns verlobten, mit vierzehn verheiratet waren und eine Familie gründeten. Ihr seht also, dass ich nicht zu jung war, in Maggie meine Zukünftige zu sehen (und ich hatte noch immer die Möglichkeit in der Hinterhand, Josuas Mutter zu heiraten, sobald Josef starb).
    Die Frauen kamen und gingen, holten Wasser, wuschen
    Kleider, und als die Sonne hoch am Himmel stand und sich der Platz schon leerte, saß Bartholomäus im Schatten einer zerfledderten Dattelpalme und bohrte in der Nase. Maggie war nicht gekommen. Komisch, wie leicht einem das Herz bricht. Dafür hatte ich schon immer ein Talent.
    »Was

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